178 Physikalische Chemie. R. Buch.
bedingt also gleichzeitig eine Erhöhung der Molekelzahl des Elektrolpten in der Lösung
gegenüber der Zahl seiner Molekeln im ungelösten Zustande.
Die Arrheniussche Hppothese wirkte, wenngleich ihr Grundgedanke, allerdings
nur andeutungsweise, von Clausius (1857) bereits ausgesprochen war, durch ihre revo-
lutionäre Kühnheit auf die Chemiker zunächst überraschend, ja abstoßend. Aber ihre
Leistungen, die geniale Art, wie ihr Urheber, obgleich er die Hypothese ursprünglich
auf Beobachtungen elektrischer Leitfähigkeiten gegründet hatte, durch sie die verschieden-
sten bis dahin streng gesonderten Erscheinungsgebiete ungezwungen miteinander ver-
knüpfte, so die Erscheinungen der Leitfähigkeit, des osmotischen Druckes, der spezifischen
chemischen Reaktionsfähigkeit der Säuren und Basen, weiter dann die Möglichkeit,
mit ihrer Hilfe bis dahin unerklärliche Phänomene, wie die Unabhängigkeit der Neu-
tralisationswärmen von der chemischen Natur der Reaktionsstoffe einleuchtend zu deuten,
die glatte Aufklärung der Anomalien beim Kohlrauschschen Summationsgesetz der
Leitfähigkeit usff., brachten der Hyppothese in den ihrer Aufstellung folgenden Jahren
allmählich uneingeschränkte Anerkennung.
Es liegt auf der Hand, daß ein gleichzeitiges Auftreten zweier so einschneidender
neuer Theoreme der Forschung die weitgehendsten Aufgaben stellte. In der Tat läßt
sich ein großer Teil der phpsikalisch-chemischen Arbeit des letzten Vierteljahrhunderts
auf experimentelle Prüfung, Ausbau und Weiterentwicklung der in der Lehre vom
osmotischen Druck und der Theorie der elektrolptischen Dissoziation ruhenden Gedanken
zurückführen. Die weiteren Ausführungen werden dies dartun.
Molekulargewichte gelöster Stoffe. Die auf Grund der Lehre vom v#mo-
tischen Druck erfolgte Ubertragung der
Avogadroschen Regel auf den gelösten Zustand eröffnete zunächst der Chemie die
lang ersehnte Möglichkeit, die Molekulargewichte auch der zahlreichen Stoffe festzustellen,
die sich nicht vergasen, wohl aber lösen lassen. Es genügten hierzu die Bestimmung
des osmotischen Druckes einer Lösung oder bequemer der dem osmotischen Oruck pro-
portionalen Anderungen des Dampfdruckes, Gefrierpunktes oder Siedepunktes. Haupt-
sächlich durch die jahrelangen Bemühungen Beckmanns wurde der Wissenschaft das
zunächst nötige Rüstzeug in Form einer zuverlässigen, unschwer zu handhabenden Appara-
tur zur Ausführung dieser Messungen zugeführt und nachdem weiter, durch Untersuchungen
von Beckmann, Eykman u. a. der Einfluß der Natur der verschiedenen Lösungemittel
klargelegt war, konnten alle Zweige der Chemie von diesem neuen Mittel der Molekular--
gewichtsbestimmung zu ihren Zwecken in weitestem Umfange praktischen Gebrauch
machen. SEbenso ermöglichten solche Bestimmungen, unter Umständen in Kombination
mit Messungen anderer Eigenschaften, der physikalischen Themie theoretisch bedeutsame,
weitgehende Schlüsse über den Molekularzustand der Körper in Lösungen.
Entsprechend reich sind die Früchte der
Arrheniusschen Thecorie der elektroly-
tischen Dissoziation während des letzten Vierteljahrhunderts. Ihre Anschauungen und Er-
Erfolge der Oissoziationstheorie.
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