X. Buch. Die Entwicklung der Chirurgie. 251
haben. Bei Amphibien gelingt es sogar, überpflanzte Körperteile zur Weiterentwicklung
zu bringen, doch nur, wenn die Transplantation im embryonalen Zustande sowohl des
Spenders wie des Empfängers erfolgte, und wenn beide Tiere in sehr naher Artverwandt-
schaft stehen. Bei so niederen Tieren ist auch die Züchtung von Körpergeweben auf
künstlichen Nährböden mit aller Sicherheit geglückt, während die Tarrelschen Kulturen
lebender Körperzellen von höheren Tieren heute noch von mancher Seite angezweifelt
werden. Braus hat sogar das Herz eines Amphibienembryos auf dem Oeckglas wachsen
lassen und die Vergrößerung des pulsierenden Organes kinematographisch dargestellt.
Beim Menschen als dem höchststehenden Lebewesen haben wir leider nur mit be-
schränkten Uberpflanzungsmöglichkeiten zu rechnen. Bei ihm ist die Auto-Transplanta-
tion, welche auch im Tierversuche stets die größte Sicherheit bietet, durchaus die Methode
der Wahl, und das einzige Verfahren, bei dem das übertragene Gewebe mit einer ge-
wissen Regelmäßigkeit am Leben bleibt und nicht nur substituiert wird. Zur Homoi-
Transplantation greifen wir, wenn der zu überpflanzende Teil, z. B. ein größeres Ge-
lenk, vom Patienten selbst nicht erhältlich ift. Die Hetero-Transplantation, die Uber--
tragung vom Tier auf den Menschen, wird heute auf Grund der experimentellen Unter-
suchungen verworfen.
Aun scheint es, daß man in dieser Beziehung
vielleicht etwas zu weit gegangen und über-
haupt wohl ein wenig in den Fehler verfallen ist, vom Tierversuche zu sehr auf den
Menschen zu exemplifizieren. Jedenfalls hat Küttner einwandfreie Erfolge mit der
Transplantation aus dem Affen erzielt. Er verfügt über eine Beobachtung, bei
welcher die Transplantation 1¾: Jahre zurückliegt, also eine Beurteilung des Resultates
möglich ist. Das wegen angeborenen Mangels der Fibula übertragene Wadenbein eines
Java-Affen (Macacus cynomolgus) ist in dem Kinderkörper vollkommen unverändert
geblieben, es weist keine Spur einer Resorption auf, welche an dem schlanken A#ffen-
knochen in den 1¾ ZJahren sicher deutlich geworden wäre, und die mitübertragene
Wachstumslinie des Knochens ist haarscharf erhalten geblieben.
Sollte sich die Uberpflanzung aus dem Affen weiter bewähren — die außerordent-
liche Ahnlichkeit der Skelettformation, die Möglichkeit, jugendliche Knochen mit Wachs-
tumelinien zu übertragen, lassen sie besonders für das Kindesalter empfehlenswert er-
scheinen —, so wäre damit ein brauchbares Verfahren gewonnen, denn gänzlich einwand-
freies, lebendes Transplantationsmaterial jeglicher Art ist auf keine andere Weise leichter
zu beschaffen.
Kach der heute gebräuchlichen Nomenklatur handelt es sich bei dieser Uberpflanzung
aus dem Affen um eine eigentliche Hetero-Transplantation. Daß ihre beim Menschen
gewonmenen positiven Ergebnisse mit den bei den üblichen Versuchstieren erzielten nicht
Üübereinstimmen, hängt wohl damit zusammen, daß zwischen Mensch und Affe eine ziem-
lich weitgehende Blutsverwandtschaft besteht. Die von Uhlenhuth, Wassermann und
Schütze, vor allem aber von Friedenthal und Bruck mit Hilfe der spezifischen Blut-
reaktion angestellten biologischen Differenzierungsversuche haben diese Verwandtschaft
Uar erwiesen.
Aberpflanzung aus dem Affen.
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