Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
X. Buch. Die soziale Medizin und soziale Hygiene. 263 
  
Verhältnisse ist durch Anregung und Mitwirkung hervorragender ATrzte ins Leben gerufen. 
Zu nennen sind vor allem der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege, der 
deutsche Verein für Schulgesundheitspflege, der deutsche Verein zur Bekämpfung des 
Kurpfuschertums, der niederrheinische Verein für öffentliche Gesundheitspflege und ähn- 
liche Vereine in den verschiedensten Provinzen und Bundesstaaten. Unter der Regierung 
Wilhelms lI. sind besonders der Verein für Volkshygiene, die Gesellschaft zur Bekämpfung 
der Geschlechtskrankheiten, zum Säuglingsschutz, gegen den Mißbrauch alkoholischer 
Getränke, der deutsche Samariterbund in Tätigkeit getreten. Eine Zentralstelle für 
Wohlfahrtseinrichtungen ist 1891 von einzelnen Vereinen, welche auf dem Gebiet der 
Wohlfahrtspflege tätig sind, unter Beteiligung preußischer Ministerien gegründet worden. 
Sie wurde 1906 auf Antrag des Grafen Douglas als Zentralstelle für Bolkswohlfahrt 
mit öffentlich rechtlichem Charakter umgestaltet. Tuch die später zu besprechende 
Tuberkulosebekämpfung, die Bestrebungen für Mutterberatung, zum Säug- 
lingsschutz, zur Versorgung der Kinder mit guter Milch haben von Arzten und ärzt- 
lichen Erfahrungen zum großen Teil ihre Anregung erhalten und sind unter ihrer 
wesentlichen Mitwirkung ein Segen für viele geworden. Ebenso verdienen die Be- 
strebungen für Epileptische, Krüppel, für Ausbildung von Krankenpflegern und Kranken-- 
pflegerinnen dankbare Anerkennung. 
Durch Gesetz vom 25. Mai 1887 betreffend die Errichtung einer 
ärztlichen Standesvertretung waren im Interesse der öffent- 
lichen Gesundheitspflege und des ärztlichen Standes in allen deutschen Staaten — 
vom Staate als beratende Korporation anerkannte — Arztekammern in jeder Provinz 
errichtet werden. Auch diese haben sich bemüht, die verschiedensten Fragen der Hy- 
giene und weiterhin der ärztlichen Interessen zu fördern. So haben die Ausführung 
des Reichsseuchengesetzes und die Desinfektionsmaßnahmen, der Unterricht der Kranken- 
pfleger und Pflegerinnen, die Gutachten für Organe der Versicherungsmedizin, die 
Wöchnerinnenpflege und das Hebammenwesen, die Bekämpfung des Alkoholismus 
die Trztekammer neben anderen spezielleren Gegenständen beschäftigt. 
Ein I2rztekammerausschuß, als Zentralinstanz aus Mitgliedern der Kammern 
bestehend, vermittelt die Beziehungen dieser untereinander und zum Minister der Medi- 
zinalangelegenheiten. 
Arztekammern. 
  
Ehrengerichte. Die Schwierigkeiten, welche dem ärztlichen Beruf aus der Auf- 
hebung des Kurpfuschereiverbots, aus der Entwicklung der sozialen 
Gesetzgebung und aus der Umgestaltung der alten Lebensbedingungen erwachsen 
waren, hatten außerdem schon lange das Bestreben erweckt, die ärztliche Tätigkeit 
durch die Schaffung von Ehrengerichten unter gewisse rechtliche Normen zu 
stellen. Diesen Wünschen wurde durch Gesetz vom 25. November 1899 Rechnung 
getragen. 
Die wesentlichste Bestimmung (§ 3) dieses Gesetzes lautet: Der Arzt ist verpflichtet, 
seine Berufstätigkeit gewissenhaft auszuüben und durch sein Verhalten in Ausübung des 
  
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