276 Die soziale Medizin und soziale Hygiene. X. Buch.
bekämpft, weiterhin aber dadurch, daß die Menschen den Genuß des ungekochten Schweine-
fleisches vermeiden.
Die Wurmkrankheit hat besonders in den Bergwerken vielfache Maßnahmen
ergreifen lassen: Ermittelung und Behandlung der Wurmbehafteten, Beseitigung
des Kotes, Sorge für Aborte, tadelloses Trink- und Waschwasser, Belehrung der Berg-
leute und Ziegelarbeiter. Die Erfolge können als glänzend bezeichnet werden, da die
Erkrankung ganz außerordentlich abgenommen hat.
Gegen das meist von Osten eingeschleppte Rückfallfieber haben sich die allgemein
hygienischen Maßnahmen der Absonderung, UÜberwachung der Schiffahrt, Desinfektion
von Wohnungen durchaus bewährt.
Das Wechselfieber (Malaria) hat in Deutschland durch Trockenlegen von Sümpfen,
Vernichtung der Stechmücken, entsprechende Behandlung Erkrankter sehr abge-
nommen.
Von übertragbaren Erkrankungen und ihrer Bekämpfung bleiben noch zu besprechen
die Tuberkulose und die Spphilis, welche aber ihrer großen Bedeutung gemäß in beson-
deren Kapiteln besprochen werden sollen.
Die Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit.
Diesostematische Bekämpfung der Tuber--
kulose konnte naturgemäß erst einsetzen,
nachdem wir durch Robert Koch die Ursache der Tuberkulose und die Eintrittspforten
in den menschlichen Körper kennen gelernt hatten. Wir wissen heute, daß die Tuberkulose
in der Hauptsache vom Menschen aus übertragen wird, daß aber auch durch die Milch,
seltener das Fleisch von tuberkulosekranken Kühen eine Ubertragung besonders
auf Kinder stattfinden kann. Weitere Untersuchungen haben gelehrt, daß bei einer ver-
hältnismäßig großen Zahl von Menschen Tuberkelbazillenherde im Körper vorhanden
sind, ohne daß diese zu schwerer fortschreitender Erkrankung führen. AUber die Zahl der
Infizierten besteht keine völlige Klarheit. Manche Autoren nehmen bis zu 90 % infi-
zierter Menschen an, ich selbst schätze sie wesentlich geringer. Immerhin zeigen diese Erfah-
rungen, daß der gesunde Mensch gewisse Schutzstoffe in seinem Körper besitzt, welche die
Entwicklung der vererblichen Keime hemmen, während in manchen zu Tuberkulose
bisponierten Familien derartige Schutzstoffe vielleicht fehlen. Auch gewisse Berufsarten
geben einen verhältnismäßig großen Schutz, während andere der Entwicklung fortschreiten-
der Erkrankung geradezu förderlich sind.
Entdeckung des Tuberkuloseerregers.
Statistik der Luberkulose. Weiter hat eine eingehende Arbeit Sievekings auf
Grund der sorgfältigen Hamburger Medizinalstatistik
gelehrt, daß die Tuberkulose von 1830 an (in welcher Zeit sie über 6 % betrug), einen ge-
wissen fortschreitenden Rückgang erfuhr, zurückgeführt teils auf die mit größerem Wohl-
stande einhergehende verbesserte Ernährung, teils auf die Verbesserung der Woh-
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