290 Veterinärmedizin. X. Buch.
Aber nicht nur im Kampfe gegen die Rinderpest hat die auf neuen Bahnen wandelnde
Seuchenbekämpfung gute Dienste geleistet, auch gegen die Mehrzahl der übrigen Tier-
seuchen hat die staatliche Seuchenbekämpfung inzwischen neue Tilgungsmaßnahmen in
Anwendung gebracht. An erster Stelle ist hier das preußische Gesetz zur Abwehr und
Unterdrückung von Viehseuchen vom 25. Juni 1875 zu nennen, dessen wesentliche Be-
stimmungen nach mehrjähriger Erprobung unter den vielgestaltigen wirtschaftlichen Ver-
hältnissen des größten deutschen Bundesstaates als NReichsviehseuchengesetz vom
23. Juni 1880 für das ganze deutsche Reich in Geltung gesetzt wurden und sich bis in die
Gegenwart als erfolgreiche Waffe im Kampfe gegen die Tierseuchen bewährt haben.
Groß ist der Segen, der in den jüngst verflossenen 25 Jahren von diesem für die
ganze Kulturwelt vorbildlichen Seuchengesetze ausgegangen ist. Es war nicht allein
möglich, unter seiner Herrschaft trotz erheblicher Steigerung der Viehhaltung und des Bieh-
verkehrs, die beide erfahrungsgemäß die Ausbreitung von Biehseuchen außerordentlich
begünstigen, die Mehrzahl der Seuchen auf einem Stande der Ausbreitung zu erhalten,
der eine angemessene wirtschaftliche Ausnutzung der wertvollen Biehbestände durchweg
sehr wohl gestattete, sondern es gelang auch, außer der Rinderpest noch zwei andere ver-
heerende Seuchen, die Schafpocken und die Lungenseuche, deren Folgen zur Zeit des Er-
lasses dieses Gesetzes noch allenthalben schwer empfunden wurden, im Laufe weniger
Lahre vollständig zu unterdrücken und eine andere nicht minder gefürchtete Seuche, die
Rotzkrankheit der Pferde, erheblich einzuschränken. Wenn gegenüber diesen zweifellosen
Erfolgen auch von einem teilweisen Versagen des Seuchengesetzes bei einer Anzahl seuchen-
hafter Krankheiten, wie Schafräude, Milzbrand, Maul- und Klauenseuche, gesprochen wer-
den kann, so ist wohl zu bedenken, daß dieses nicht in der mangelhaften Fassung der ein-
schlägigen Bestimmungen allein begründet zu sein braucht. Bei der Maul- und Klauen-
seuche im besonderen hat die aus alter Zeit stammende, tief eingewurzelte Auffassung
von der relativen Gutartigkeit dieser Seuche — die allerdings durch die Erfahrungen der
letzten Fahre gründlich widerlegt worden ist — die rechtzeitige Anwendung scharfer Maß-
nahmen lange Zeit sehr erschwert. Hierin ist erst in jüngster Zeit durch Einräumung
weitgehender Tötungsbefugnis in allen Fällen, in denen begründete Aussicht auf völlige
Tilgung des Seuchenherdes besteht, Wandel eingetreten.
Tierseuchenforschung. Eine wesentliche Förderung hat die staatli che Tier-
seuchenbekämpfung durch den außerordentlichen Auf-
schwung erfahren, den sowohl die allgemeine Seuchenforschung als auch die Tier-
seuchenforschung im besonderen in den letzten 25 Fahren genommen hat. Fußend
auf den grundlegenden Untersuchungen Pasteurs, Robert Kochs, v. Behrings
waren auch zahlreiche tierärztliche Forscher bemüht, das Dunkel, welches die Erreger
der meisten Tierseuchen damals noch umgab, zu lichten und durch Studium ihrer
Lebens- und Wirkungsweise neue Wege zu ihrer Bekämpfung zu finden. Neben hervor-
ragenden ausländischen Fachgenossen wie Nocard, Arloing, Bang, Hutyra,
C. O. Fensen u. a. war es auch deutschen Tierärzten vergönnt, bahnbrechend auf diesem
neuen Arbeitsfelde zu wirken. Verwiesen sei hier, um nur einige aus der großen Zahl
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