Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
310 Die landwirtschaftlichen Wissenschaften. X. Buch. 
erkennt auch Seine Majestät der Kaiser an, indem er persönlich an den Beratungen und 
Veranstaltungen landwirtschaftlicher Körperschaften regen Anteil nimmt und überall 
sein lebhaftes Interesse an landwirtschaftlichen Fragen bekundet. Dazu ist er auch als 
größter Grundbesitzer des Landes mit dem Wohl und Wehe der Landwirtschaft aufs 
innigste verbunden. 
  
II. Ackerbau 
Von Prof. Dr. P. Holdefleiß, Halle a. S. 
Pflanzenzüchtung. Das eigentlich Produzierende im Ackerbau sind die Kul- 
— turpflanzen, die als lebende Organismen unter 
dem Einflusse der Sonnenenergie gewisse Stoffe der Luft und des Bodens 
verarbeiten. Es ist einleuchtend, daß die Leistungsfähigkeit der lebenden Or- 
ganismen wie auf so vielen anderen Gebieten auch hier verschieden sein kann. 
Die Auswahl der leistungsfähigeren Individuen, die Isolierung dieser von weniger 
leistungsfähigeren und dadurch die Heranzucht von besseren Stämmen und Sorten 
ist die Aufgabe der eigentlichen Züchtung bekanntlich stets gewesen. Wäh- 
rend aber eine solche sich bei den Haustieren schon seit längerer Zeit entwickelt hatte, 
hat eine eigentliche Züchtung der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen erst viel 
später begonnen. Wenn diese neuzeitliche Pflanzenzüchtung nun auch in ihren frühesten 
Anfängen, speziell in Anknüpfung an den französischen Züchter BVilmorin und an die 
Züchtung der Klein-Wanzlebener Zuckerrübe, bis in die erste Hälfte des 19. Jahr- 
hunderts zurückreicht, so kann man doch sagen, daß erst die letzten 25 Zahre eine stürmische 
und in den Erfolgen glänzende Entwicklung gebracht haben. Vorher war die Zahl 
der landwirtschaftlichen Pflanzenzüchter verhältnismäßig gering gewesen. Rimpau- 
Schlanstedt hatte zwar vorher durch seine wissenschaftlichen und auch praktisch züchteri- 
schen Arbeiten wichtige Vorfragen bearbeitet, und ebenso hatten auch Beseler, Steiger, 
Bestehorn, Richter u. a. beachtenswerte praktische Erfolge erzielt. Gegen Ende der 
achtziger Zahre des vorigen Jahrhunderts trat aber dann vor allem v. Lochow-Petkus 
mit seiner Roggenzüchtung in die Offentlichkeit, durch deren damals glänzenden Erfolg 
die Aufmerksamkeit in besonderem Maße auf die Notwendigkeit der landwirtschaftlichen 
Pflanzenzüchtung gelenkt wurde. Seitdem ist nun bis heute die Zahl der Original--- 
züchter, die an der Schaffung ertragreicherer Sorten unserer Kulturpflanzen arbeiten, 
ungeheuer angewachsen, so daß man erst seitdem die Entstehung eines neuen landwirt- 
schaftlichen Berufszweiges, nämlich den der Pflanzenzüchtung, konstatieren kann. Wenn 
auch die starke Beteiligung an der Pflanzenzüchtung dazu geführt hat, daß die Zahl der 
Sorten immer mehr zunimmt und die Ubersicht und Auswahl immer schwieriger wird, 
so ist es doch als Gewinn anzusehen, daß durch die große Zahl der Mitarbeiter der gegen- 
seitige Wettbewerb und die Anspannung aller Kräfte gesteigert, und damit das Gesamt- 
resultat und der stetige Fortschritt gefördert, nicht etwa gehemmt wird. Natürlich führt 
  
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