Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
X. Buch. II. #ckerbau. 311 
  
das Streben so vieler Mitarbeiter, sich gegenseitig zu überbieten, zu gelegentlichen nicht 
zu billigenden Auswüchsen, vor allem in der Art, daß hoch gezüchtete fremde Sorten 
zum Ausgangspunkte weiterer züchterischer Arbeit genommen werden, und nach kurzer 
Zeit und ohne wertvolle Veränderung unter einem neuen Namen auf den Markt ge- 
bracht werden. Daß damit die berechtigten Interessen der Züchter, die vorher an der 
betreffenden Sorte gearbeitet hatten, und denen allein die Verbesserung derselben als 
Verdienst anzurechnen ist, nicht geschädigt werden, wird jedoch ebenfalls durch eine neuere 
Errungenschaft der letzten hier behandelten Entwicklungsperiode nach Möglichkeit verhütet. 
Oies geschieht durch die neuen Einrichtun- 
gen der sogen. Saaten- und Zucht- 
anerkennungen, wie sie zuerst von der „Deutschen Landwirtschafts-GGesell- 
schaft“ eingerichtet und im Anschluß daran von anderen landwirtschaftlichen Fach- 
organisationen und Landwirtschaftskammern in ährnlicher Weise übernommen 
wurden. Es wird hierbei die möglichste Sicherung dagegen erstrebt, daß nicht unter 
einem anerkannten Namen etwas Falsches und Geringwertiges oder unter einem neuen 
Namen etwas Altes, an dem bereits ein anderer Züchter ein Recht hat, in die Offent- 
lichkeit gebracht wird. Diese sogenannte Anerkennung von Leistungen auf pflanzen- 
züchterischem Gebiete wird in verschiedenen Abstufungen ausgeübt, sowohl für die ein- 
fache Erzeugung von Saatgut, die nicht mit wesentlich züchterischer Arbeit verbunden 
ist, als auch bei den eigentlichen Originalzuchten, bei denen neue selbständige Sorten 
erstrebt werden, wie auch endlich bei ganzen Saatzuchtwirtschaften, in denen der 
ganze Wirtschaftsbetrieb geprüft wird, um nach Möglichkeit sowohl den Käufer der fer- 
tigen Zuchtprodukte, wie auch die auf ähnlichen Gebieten arbeitenden Züchter in ihren 
berechtigten Interessen zu schützen. Man kann diese Organisation der neuzeitlichen 
Saaten- und Zuchtanerkennung als den Regulator in der stürmischen und ungeregelten 
Entwicklung der pflanzenzüchterischen Arbeiten ansehen, ohne den die überaus starke 
Beteiligung an diesen Arbeiten zu AUbelständen führen könnte. 
Offentliche Saatenanerkennungen. 
  
Als weitere Folge des starken Interesses, das die landwirt- 
schaftliche Pflanzenzüchtung in immer zunehmendem Maße 
in der Landwirtschaft gefunden hat, ist aber die Tatsache anzusehen, daß man auch 
in gewöhnlichen landwirtschaftlichen Betrieben, in denen keine eigentliche Pflan- 
zenzüchtung getrieben wird, auf die Beschaffenheit des Saatgutes mehr achtet 
als früher. Dies ist besonders dadurch noch gesteigert worden, daß sich aus den 
zahlreichen Sortenprüfungen und Anbauversuchen ergab, daß durch Ver- 
wendung verbesserter Sorten und besser vorbereiteten Saatgutes die Felderträge 
beträchtlich gesteigert werden konnten, ohne daß im Verhältnis dazu die Unkosten 
in gleichem Maße zunahmen. Wenn auch natürlich die Verwendung besseren und 
höher gezüchteten Saatgutes etwas teurer ist als die von gewöhnlicher Saat, und 
wenn auch die höheren Ernteerträge etwas mehr Werbungs- und Bergungskosten ver- 
ursachen, so ist doch die Ertragssteigerung bei wirklich wertvollem Saatgute noch be- 
Anbauversuche. 
  
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