X. Buch. III. Die Cierzucht. 325
Aber sonst hat eben die breite, sehr verschiedene Veredelungsgrade umfassende
Menge der veredelten Landschweine eine ungeahnte Bedeutung gewonnen. Wenn auch
noch eine ganze Reihe von besonderen Schlägen unterschieden werden, so ist doch eine
sehr ausgesprochene Annäherung in Form und Leistung nicht zu verkennen und, schon
jetzt könnte man unschwer innerhalb eines Schlages größere Verschiedenheiten feststellen,
als zwischen ausgewählten Zuchten verschiedener Schläge oder Zuchtbezirke bestehen.
Eine immer allgemeinere und selbstverständlichere Anerkennung der Bestrebungen, viel-
leicht sogar durch Zusammenfassung in einen großen Verband, dürfte erstrebenswert sein.
Wo sehr günstige wirtschaftliche Verhältnisse höchste Ansprüche an Frühreife und
Mastfähigkeit zu befriedigen imstande sind, ist das Edelschwein unübertroffen.
Im ganzen darf die Schweinezucht in der Hauptsache das Verdienst für sich in
Anspruch nehmen, wenn es der deutschen Landwirtschaft trotz enorm gestiegenen Fleisch-
verzehrs neben der riesigen Bevölkerungszunahme gelungen ist, bis auf einen kleinen
Rest die Versorgung des deutschen Volkes mit Fleisch auszuführen.
Eine sehr ungünstige Entwicklung zeigt, übrigens in Aberein--
Die Schafzucht. stimmung mit manchen anderen Staaten mit intensiver Land-
wirtschaft, die Schafzucht. ANeben den allgemein anerkannten Gründen hierfür
(überseeische Wollkonkurrenz und steigende Betriebsintensität der deutschen Land-
wirtschaft) muß noch die bis in die Zetztzeit reichende Uberschätzung der Wolle weiter
Kreise hierfür verantwortlich gemacht werden. Das von dem weitblickendsten Vor-
kämpfer für neuzeitliche Schafzucht vor Zahrzehnten geprägte Wort: „Der Hammel ist
der Prüfstein der Schäferei“, muß die allgemeine Losung werden. Die Tage des goldnen
Bließes sind vorüber.
Die ausgesprochenen Wollschafzuchten sind großenteils verschwunden oder sind,
mehr oder weniger entschieden, in Fleischschafzuchten verwandelt. Leider scheinen auch
die Tage der verschiedenen deutschen Landschafe gezählt zu sein; hoffentlich haben die
jüngsten Bestrebungen, sie wenigstens hier und dort durch zweckmäßige Veredelung und
Umzüchtung zu erhalten, einigen Erfolg. In Frankreich, wo man weniger übertrieben
die Reinzucht schätzt wie bei uns, ist es ausgezeichnet gelungen.
Volkswirtschaftlich, d. h. für die Volksernährung braucht glücklicherweise der arge
NKückgang der deutschen Schafzucht nicht als sehr bedeutsam angesehen werden. Be-
trägt doch der Verzehr an Schaffleisch pro Kopf und Jahr nur 1,1 kg oder 2,2 % des
gesamten Fleischverbrauchs.
. Diesiegenzuchthatgeradeindenhinterunsliegenden
Die Ziegenzucht. 25 Fahren endlich etwas allgemeinere Beachtung gefunden.
Weit über die Aufgaben sonstiger Tierzucht hinaus greift die Zucht der „Kuh des kleinen
Mannes“ ins soziale Gebiet hinüber und ist besonders warm zu fördern. Erfreulicher-
weise kommen neuerdings unsere deutschen Rassen mehr zur Geltung, nachdem es sich
gezeigt, daß die anspruchsvollere, allerdings auch leistungsfähigere Schweizer Saanen-
ziege nicht überall anpassungsfähig war.
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