328 Die landwirtschaftlichen Wissenschaften. X. Buch.
IV. Die Aogrikulturchemie
Von Professor Dr. W. Schneidewind, Halle a. S.
1. Die Ernährung der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen.
Der Stiastoff. Der bei weitem größte Teil der in das Gebiet der pflanzlichen
Ernährung fallenden Arbeiten beschäftigte sich in den verflossenen
25 Jahren mit dem Stickstoff, dem zurzeit wichtigsten Pflanzennährstoff, wenn von
der Kohlensäure der Luft und dem Wasser abgesehen wird.
Gleich im Jahre 1888 fand die Veröffentlichung der
epochemachenden Entdeckungen Hellriegels und
Wilfarths über die Stickstoffassimilation der
Leguminosen statt. Aus den umfangreichen Untersuchungen dieser Forscher ging un-
zweifelhaft hervor, daß nur die Leguminosen den freien Stickstoff der Luft zu assimilieren
vermögen, und daß diese Stickstoffbindung vermittelt wirddurch die in den Wurzelknöll-
chensitzenden Bakterien, welche mit den Leguminosen in Symbiose leben. Die weiteren
Forschungen über die Stickstoffassimilation durch die Leguminosen beschäftigten sich haupt-
sächlich mit der Art der Leguminosenbakterien und der Zmpfung. Während Hellriegel und
Wilfarth und auch andere Forscher den Standpunkt vertraten, daß jede einzelne Legumi-
nose für sich eine bestimmte Art von Bakterien beanspruche und nur verwandte Legumi-
nosenarten sich vertreten könnten, steht man jetzt auf dem Standpunkt, daß es nur eine
Hauptart dieser Bakterien gibt, welche sich nur den verschiedenen Leguminosen an-
passen müsse. Hierfür spricht die Tatsache, daß Leguminosen, welche noch nie auf einem
Kulturboden angebaut wurden, im ersten Zahre noch keine Knöllchen ansetzen und somit
keinen Stickstoff assimilieren, bei weiterem Anbau aber ohne jede Impfung reichlich
Knöllchen ansetzen und reichlich Stickstoff assimilieren. Dies war z. B. der Fall bei Lu-
pinen und Serradella, welche nach Bersuchen von B. Heinze auf dem Lößlehmboden
der Versuchswirtschaft Lauchstädt, wo sie noch nie angebaut worden waren, vom 2. Jahre
ab reichlich Knöllchen ansetzten und reichlich Stickstoff assimilierten.
Die vielen Impfversuche, welche man auf den verschiedensten Bodenarten anstellte,
ergaben, daß ein durchschlagender Erfolg der Impfung nur da für das erste oder die ersten
Jahre zu erwarten ist, wo die betreffenden Leguminosen noch nie angebaut wurden oder
längere Zeit in der Fruchtfolge gefehlt haben. Eine Impfung kann vorgenommen wer-
den in Form von Reinkulturen (Aitragin und Azotogen) oder in Form von Impferde,
einem Leguminosenboden entnommen.
Als praktische Konsequenz der Hellriegelschen Entdeckungen hat sich ergeben eine
ausgedehnte Anwendung der Leguminosen als Gründüngung zur Anreiche-
rung des Bodens an Stickstoff. Die Gründüngung ist, wie Schultz-Lupitz zuerst nach-
wies, ein Hauptproduktionsfaktor für die leichten Böden, kommt aber auch bis zu einem
gewissen Grade in Frage für bessere Böden (siehe Berichte der Versuchswirtschaft Lauch-
städt von M. Maercker und W. Schneidewind).
Stickstoffassimilation durch
Leguminosenbakterien.
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