Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
330 Oie landwirtschaftlichen Wissenschaften. X. Buch. 
  
stickstoffs durch niedere Organismen, da derselbe eine bessere Stickstoffquelle für die 
niederen Organismen ist und länger im Boden verweilt als der Salpeter. Im übrigen 
haben die Versuche ergeben, daß die verschiedenen Kulturpflanzen sich gegen diese beiden 
Stickstofformen verschieden verhalten. So hat Krüger durch einwandfreie Sterilisations- 
versuche, bei welchen der Ammoniakstickstoff als solcher von den Pflanzen ausgenommen 
werden mußte, festgestellt, daß z. B. die Kartoffel und der Hafer für das Ammoniak-- 
salz mindestens ebenso dankbar sind als für den Salpeter, umgekehrt z. B. die Rübe, be- 
sonders die Futterrübe, den Salpeter vorzieht. Hiermit stehen im Einklang die nach dieser 
Richtung von Wohltmann, Schneidewind, D. Meper, Münter u. a. ausgeführten Feld- 
versuche. In einzelnen Fällen will man ja auch, wie z. B. bei der Braugerste, stickstoff- 
ärmere Produkte gewinnen, was mit dem Ammodniaksalz leichter zu erreichen ist als 
mit dem intensiv wirkenden Salpeter. 
Seit langer Zeit war man bestrebt, den Luftstickstoff auf elektrochemischem 
Wege in eine für die Pflanze geeignete Form überzuführen. Dies ist in 
den letzten 10 Zahren mit praktischem Erfolg gelungen. Es werden augenblicklich 
4 Formen auf diesem Wege gewonnen: 1. Der Kalkstickstoff, nach dem Verfahren 
von Frank-Caro. Zur Gewinnung dieses Produktes wird zunächst Kalziumkarbid 
hergestellt, welches unter geeigneten Bedingungen den Luftsticksstoff zu binden ver- 
mag und hierbei in Kalziumzvanamid (CaCN übergeführt wird, welch letzteres 
durch die sich ausscheidende Kohle schwarz gefärbt ist und mit „Kalkstickstoff“ be- 
zeichnet wird. 2. Der Kalksalpeter (Norgesalpeter) nach den beiden Verfahren 
von Birkeland-Epde und Schönherr. Dieser Salpeter wird durch Oxydation des 
Luftstickstoffs vermittels des elektrischen Flammenbogens gewonnen. Hierbei ent- 
steht zunächst Stickorpyd, welches dann weiter zu Stickstoffdioxpyd und schließlich zu 
Salpetersäure umgewandelt wird. 5. Der Harnstoff, welcher nach dem Ver- 
fabren von Immendorff aus dem Kalkstickstoff gewonnen wird. 4. Ammoniakfalze 
(Salpetersaures Ammoniak oder Schwefelsaures Llmmoniak). Zur Gewinnung dieser 
Salze wird zunächst nach dem Verfahren von Haber synthetisch aus Wasserstoff und 
dem Stickstoff der atmosphärischen Luft unter Druck und Benutzung von Katalysatoren 
Ammoniak gewonnen, welches mit einer aus der Luft gewonnenen Salpetersäure oder 
mit Schwefelsäure zu salpetersaurem bezw. schwefelsaurem Ammoniak verarbeitet wird. 
Uber die Wirkung dieser Produkte sind zahlreiche Gefäß- und Feldversuche ausgeführt 
worden u. a. von Wagner, Gerlach, Schneidewind, D. Meyer, Münter, Stutzer und 
Immendorff. Oiese Versuche haben ergeben, daß der Kalksalpeter (Norgesalpeter) ebenso 
wirkt wie der Chilesalpeter, das salpetersaure Ammoniaäk und der Harnstoff ungefähr 
wie das schwefelsaure Ammoniak, während der Kalkstickstoff in seiner Wirkung etwas 
binter diesen Formen zurückbleibt. Von diesen Produkten werden jetzt in größeren An- 
lagen hergestellt der Kalksalpeter und der Kalkstickstoff. Ihr Handelspreis hat sich dem 
der beiden herrschenden Stickstofformen, des Chilesalpeters und des schwefelsauren 
Ammoniaks, angepaßt. 
Auch mit den organischen stickstoffpaltigen Düngemitteln (Fleischmehl, Fisch- 
mehl, Blutmehl, Peruguano usw.) sind weitere Versuche angestellt worden. Diese Ver- 
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