X. Buch. V. Elektrotechnik. — VI. Städtebau. 375
lage für die drahtlose Telegraphie gelegt. Als dann im Jahre 1890 von Branly im so-
genannten Kohärer oder Fritter ein einfacher und empfindlicher Apparat zum Nachweise
elektrischer Schwingungen gefunden war und dieser auch die Möglichkeit gewährte,
die durch stoßweise Aussendung von solchen Wellen gegebenen Zeichen mit Hilfe eines
Morseschreibers aufzuzeichnen, konnte der Italiener Marconi im Zahre 1896 die Hertz-
schen Wellen zum Telegraphieren ohne Leitung benützen. Oie beiden nächsten, für die
praktische Ausbildung der drahtlosen Telegraphie außerordentlich wichtigen Schritte
machten wieder zwei Deutsche: Braun in Straßburg gelang es, Erzeugung und Aus-
sendung der elektrischen Schwingungen so voneinander zu trennen, daß die Schwingungen
viel reiner und mit viel größerer Energie in den Naum hinausgingen, und Mazx Wien
in Danzig fand in der sogenannten Löschfunkenstrecke ein Mittel, daß immer nur ein
einziger störungsfreier Wellenzug von ganz bestimmter Art ausgesandt wurde und nun
in den auf Resonanz eingestellten Empfangsapparaten mit großer Intensität und
störungsfrei wirken konnte. Welch regen Anteil der Kaiser an diesem wesentlich deut-
schem Geiste entsprungenen Kulturfortschritt nahm, wissen wir aus Slabps Ver-
öffentlichungen.
Es kann dieser Abschnitt nicht geschlossen werden, ohne daß der Berband Deutscher
Elektrotechniker erwähnt würde, dessen bedeutende Leistungen nicht nur im Znland,
sondern auch im Ausland dankbar anerkannt werden.
VI. Städtebau
Von R. Baumeister, Dr.-Ing. Dr. med. h. c., Geh. Rat, Professor a. D. in Karlsruhe
Oie allgemeine Aufgabe des Städtebaues besteht darin, für eine Gesamt-
heit von Wohn- und Arbeitsstätten nebst zugehörigen öffentlichen Ge-
bäuden die unserem Kulturstand entsprechenden Grundlagen zu schaffen, sowie die
gemeinsamen Einrichtungen für den Verkehr, für körperliche und geistige Erholung, für
Wasserversorgung und Entfernung der Abfallstoffe vorzusehen. Demnach hängt der
Städtebau aufs engste mit der Wohnungsfrage zusammen; aus Straßen und Häusern, aus
Grundriß und Aufriß will er die Gesamterscheinung einer Stadt gestalten. Hierbei sind
nun mancherlei Rücksichten zu nehmen: technische, ästhetische, gesundheitliche, soziale und
wirtschaftliche. Der Städtebau ist somit ein aus mehreren Wissensgebieten empor-
wachsendes Gebilde, hier jedoch kurzweg unter die technischen Wissenschaften eingereiht.
Um den Städtebau während der letzten 25 Jahre darzustellen, muß auch die unmittel-
bar vorhergehende Zeit mit in Betracht kommen, in welcher das gewaltige Wachstum
der deutschen Städte einsetzte. Ihre Bevölkerung hat seit der Mitte des vorigen Jahr-
hunderts bis heute um 30 Millionen zugenommen. Den unerwartet großen Bedürfnissen
nach neuen Häusern, Straßen und Stadtteilen waren aber die bisherigen Erfahrungen
nicht gewachsen; zudem herrschte in der Volkswirtschaft noch die Ansicht, daß mit dem
Aufgabe.
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