Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
32 Baukunst. XI. B#uch. 
  
seits wirkten wie die Komponenten im Kräftepolygon und führten auf eine Resultierende, 
die dem deutschen Kunstgewerbe die schließliche Nichtung gab — und von da bis zum 
Bauschaffen war nur ein Schritt. 
An Peter Behrens vor allem, der die Wandlung vom Maler zum Architekten in 
einer bedeutsamen Weise durchgemacht hat, kann dieser Gedanke wohl am klarsten nach- 
gewiesen werden. Natürlich lag in seinem Innern der Keim des Baugedankens von vorn- 
herein geborgen, war in ihm von je und je latent; — nachdem Behrens die akademische 
Münchner Malweise abgeschüttelt hatte, bekannte er sich — ohne zuvor Bilder von Monet 
oder von dessen Schule gesehen zu haben — aus eigener Anschauung zum Impressionisten, 
vertiefte sich dann aber in inniger (selbstloser) Weise in das Problem der Farbe, wurde 
so dekorativ und schuf etwa um 1893 Bilder, bei denen der Inhalt lediglich zu farbig ge- 
stimmtem Flächenbau verarbeitet wird. Von 1895 ab geht er ganz im Gebiete der De- 
korative — immer aber unter dem Gesichtswinkel des Architektonischen — auf, muß not- 
wendig die Kontur, die Linie überhaupt, in ihrem Werte für den Aufbau des Flächen- 
bildes erkennen und kommt so, beeinflußt durch die oben genannten kunstgewerblichen 
Bewegungen von Paris her, auf kurzem Wege in das Fahrwasser des Kunstgewerbes. 
Und da in ihm Leben und Kunstanschauung eins und dasselbe ist, fordert er schon in 
Darmstadt 1901 innigste Verbindung und Durchdringung von Kunst und Kultur, kennt 
er schon damals keine Grenzen zwischen den einzelnen darstellenden Künsten und muß 
damit gleichsam notwendig im Gebiete der Baukunst enden, als der endlichen und allein 
umfassenden Kunst, die zugleich am deutlichsten und mächtigsten die Kultur ihrer Zeit 
verlautbart. 
Die anderen Darmstädter Kräfte waren bei weitem nicht so tiefgründig und ernsthaft 
wie Behrens. Der Wagnerschüler Olbrich hatte zwar die Anlage der jungen Kolonie 
sehr geschickt entworfen, war aber in der Masse von Aufgaben, die er zumeist sich selbst 
zugeschrieben hatte, dermaßen erstickt, daß alles mehr den Eindruck des Theaterhaften, 
Schnellfertigen, Ausstellerischen machte als den eines „Dokumentes deutscher Kunst“. 
Seine ganze, südlichwienerische Art frappierte eher, als daß sie durch und durch drang 
und zum deutschen Publikum sprach. Christiansen vertrat die Pariser dekorative Plakat- 
schule, imponierte durch die glutfarbigen Glasbilder, alle seine Bedeutung und Stärke 
lag in der Farbe, weniger in der Linie: ein Schreiber aus der Darmstädter Zeit nannte 
ihn „den Böcklin der Dekoration“. Aber seine andern kunstgewerblichen Erzeugnisse über- 
zeugten nicht, waren wohl auch dem französischen Möbel- und Kunstgewerbestil zu sehr 
verwandt. Der fachlich bedeutende, klar konstruktiv denkende, in der Form etwas steife 
Patriz Huber starb leider schon 1903, er hätte sicher viel Schönes, besonders im 
Hinblick auf die werktechnische (deutschtümelnde) Seite und damit auch im Hinblick auf 
Anforderungen aus mehr bürgerlichen Mittelstandskreisen leisten können; er war für den 
künstlerischen Gesamteindruck der Darmstädter Arbeit geradezu ein wertvoller Kom- 
pensator. Die beiden Bildhauer Habich und Bosselt und der Zeichner Paul Burck standen 
der Bewegung, soweit sie in den Rahmen der Baukunst und des Kunstgewerbes gehörte, 
reichlich fern. Mit einem alle Befürchtungen noch übersteigenden finanziellen Mißerfolg 
schloß die Ausstellung, und die Künstler gingen bald darauf auseinander. Der Wert der 
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