Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

Physik 
Von Oberrealschuldirektor Prof. E. Grimsehl in Hamburg 
Man versucht oft, eine Zeitepoche durch ein kurzes und einfaches Wort zu kenn- 
zeichnen, und so hat man den Zeitraum, in dem wir leben, wohl als Zeitalter der Elek- 
trizität bezeichnet. Hierbei denkt man in erster Linie an die praktischen Anwendungen der 
Elektrizität, die unser modernes Leben in einer Weise umgestaltet haben, wie es kaum 
vorher eine andere Kraft, selbst nicht die Dampfkraft, getan hat. Diese Bezeichnung ist 
aber auch dann gerechtfertigt, wenn man an die Erweiterung unserer Erkenntnisse von 
der Natur denkt. Würde man die wissenschaftlichen Arbeiten aus dem gesamten Ge- 
biete der Phpsik nach altem Herkommen einteilen und die literarischen Ergebnisse etwa 
in einer Bibliothek verteilen, so würde gewiß auf die Elektrizitätslehre weit über 
die Hälfte des ganzen benutzten Raumes fallen. 
Während jahrhundertelang das Bestreben der Naturforscher darauf gerichtet ge- 
wesen ist, die Naturerscheinungen auf Vorgänge der Mechanik zurückzuführen, neigt 
man mehr und mehr dazu, die elektrischen Vorgänge als die Urvorgänge anzusehen 
und die meisten, vielleicht alle übrigen Naturerscheinungen auf elektrische 
Vorgänge zurückzuführen. 
Elektrizität. Die Grundlagen für die technische Anwendung der Elektrizitäts- 
lehre, im besonderen für die Konstruktion aller derjenigen Maschinen, 
die auf elektro-magnetischen Vorgängen beruhen, oder die eine Umwandlung der elektri- 
schen in Wärmeengerie und umgekehrt der Wärmeenergie in elektrische umfassen, liegen 
vor dem Zeitraum, der nach der Aufgabe des vorliegenden Werkes eingehender be- 
handelt werden soll, während der Ausbau der technischen Anwendungen zum großen 
Teil in diesen Zeitraum fällt. Dagegen ist es uns erst in den letzten Jahrzehnten ge- 
lungen, etwas tiefer in das Wesen der Elektrizität einzudringen, so daß die Frage: 
„Was ist Elektrizität?“ heute wohl schon bis zu einem gewissen Grade beantwortet 
werden kann, während man dieselbe Frage früher in das Gebiet der müßigen Speku- 
lationen verweisen mußte. 
Im besonderen hat das Studium der elektrischen Erscheinungen, die sich bei den 
Entladungen in Gasen abspielen, außerordentlich viel zur Klärung dieser Frage beige- 
tragen. 
Die farbenprächtigen Lichterscheinungen, die die elektrische Entladung in verdünn- 
ten Gasen begleiten, haben schon zu der Zeit als Geißler seine mit verdünnten Gasen 
  
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