Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
134 Physik. X. Buch. 
  
gefüllten Röhren herstellte, das lebhafteste Interesse erregt, und sehr bald nachdem dieser 
durch seine Röhren bekannt gewordene Glasbläser jedemm die Beobachtung leicht ermög- 
licht hatte, hatte man erfahren, daß die Farbe des Lichtes in erster Linie von der Farbe 
der in den Röhren enthaltenen Gase abhängt. Als dann zuerst Plücker 1838 und dann 
Hittorf 1869 die Erscheinungen beobachteten, die mit der elektrischen Entladung in 
Köhren verbunden sind, in denen die Gasmengen bis auf einen verschwindend geringen 
Rest ausgepumpt sind, erregten diese nur in geringem Maße das Interesse weiterer Kreise, 
weil die Lichterscheinungen an Schönheit weit hinter den in Geißlerschen Röhren auf- 
tretenden zurückbleiben. Erst infolge der Beröffentlichungen des englischen Phypsikers 
Crookes, der 10 ZJahre später die schon von Hittorf beobachteten Erscheinungen auf eine 
ostrahlende Materie“, einen sogenannten vierten Aggregatzustand zurückführte, wurde 
die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf diese Erscheinungen gelenkt. Das am meisten 
Auffallende bei den Crookesschen Röhren ist, daß die von dem negativen Pole, der 
Kathode, ausgehenden Lichterscheinungen nicht den Strombahnen der Elektrizität fol- 
gen, sondern geradlinig verlaufen und Körper, die in den Strahlengang gebracht werden, 
zu lebhafter Fluoreszenz anregen. Doch wiederum vergingen mehrere Jahre, ehe man 
sich in den phpsikalischen Laboratorien spstematisch mit diesen Vorgängen beschäftigte. 
AKöntgenstrahlen. Oie Schwierigkeiten, die sich der Untersuchung der Kathoden-- 
strahlen entgegenstellten, waren in erster Linie darin begründet, 
daß die Strahlen nur im Inneren eines geschlossenen Rohres auftreten. Diese Schwierig- 
keiten überwand Lenard, dem es 1893 gelang, sie durch ein sogenanntes „Aluminiumfen- 
ster“ aus dem Rohre heraustreten zu lassen. Sie waren dadurch der direkten Untersuchung 
zugänglich geworden. Die Untersuchungen Lenarde, die dieser aus äußeren Gründen auf 
einige Zeit unterbrechen mußte, wurden von Röntgen in Würzburg fortgesetzt. Dieser un- 
tersuchte mit einer Lenardschen Röhre besonders die auch in der freien Luft von den Ka- 
thodenstrahlen angeregte Fluoreszenz der Körper und entdeckte bei dieser Gelegenheit die 
Strahlen, die er selbst N-Strahlen nannte, und die heute, in Würdigung der Verdienste des 
Entdeckers, allgemein Röntgenstrahlen genannt werden. Die Röntgenstrahlen zeichnen sich 
vor allen anderen bisher bekannten Strahlen dadurch aus, daß sie Körper durchdringen, die 
für gewöhnliches Licht undurchlässig sind. Sie werden hierbei von ihrer geradlinigen Rich- 
tung nicht abgelenkt; aber sie werden von den Körpern, die in den Strahlengang gebracht 
werden, geschwächt und zwar im allgemeinen um so mehr, je dichter die durchstrahlten 
Körper sind. Daher entsteht hinter einem von Röntgenstrahlen durchstrahlten Körper 
ein Schattenraum, der dort am tiefsten ist, wo die dichtesten Körper die stärkste Schwä- 
chung erzeugt haben. Die Röntgenstrahlen sind mit dem Auge nicht unmittelbar sichtbar. 
Oa sie aber auf einem mit fluoreszierenden Körpern bedeckten Schirm lebhafte Fluores- 
zenz erzeugen und da die Fluoreszenz dort am stärksten ist, wo die Intensität der Strah- 
len am größten ist, so entsteht auf dem Fluoreszenzschirm ein sichtbares Schattenbild. Die 
Röntgenstrahlen wirken gleich wie die Kathodenstrahlen auf eine photographische Platte 
ein, und zwar auch durch eine geschlossene Holzkassette oder durch schwarzes Papier hin- 
durch, die den gewöhnlichen Lichtstrahlen den Weg versperren. Bringt man daher in den 
  
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