Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
X. Buch. Physik. 139 
An diese Untersuchungen schloß sich dann die Frage, was man als Masse eines sol- 
chen elektrischen Atomes (eines Elektrons) zu verstehen habe, und ob nicht etwa die Masse 
nur vorgetäuscht sei. Im weiteren Verfolg dieser Frage ist dann der Gedanke ausge- 
sprochen, ob nicht die Masse überhaupt nur elektromagnetischer Natur sei, also keine reale 
Sistenz in dem Sinne habe, wie wir es gemeiniglich anzunehmen pPflegen. Es ist nicht 
ausgeschlossen, daß die körperliche Masse nichts anderes ist, als eine Kongregation von 
Elektronen. Oie Verschiedenartigkeit der materiellen Atome würde dann nur aus einer 
verschiedenartigen Anordnung der Elektronen beruhen. Ist diese Annahme richtig, so 
muß es möglich sein, auch alle mechanischen Vorgänge auf elektrische Vorgänge zurück- 
zuführen. 
Nur kurz mag noch erwähnt sein, daß von den in einem Ent- 
ladungsrohr enthaltenen Elektroden auch Strahlen positiver Elek- 
trizität ausgehen, die zuerst von Goldstein 1881 beobachtet wurden. Sie sind später von 
ihm Kanalstrahlen genannt worden, weil sie besonders hinter den Kathoden auftreten, 
die kanalförmige Durchbohrungen haben. Auch von der positiven Elektrode (der Anode) 
gehen nach neueren Untersuchungen Strahlen aus, die Anodenstrahlen genannt werden. 
An den Kanalstrahlen beobachtete J. Stark 1906 die Erscheinung des sogenannten 
Dopplereffekts. Er fand bei der spektralen Untersuchung des Kanalstrahlenlichts eine 
Verschiebung der Spektral-Linien nach dem violetten Ende des Spektrums hin, wenn 
er den Kanalstrahlen entgegenblickte, und nach dem roten Ende hin, wenn er in der 
Richtung der Kanalstrahlen beobachtete. Hieraus konnte er schließen, daß die Träger 
der Lichtemission die Gasatome sind, und daß das Licht von den in den Atomen 
schwingenden Elektronen verursacht wird. 
Kanalstrahlen. 
  
Mit der letzten Erscheinung berühren wir eine Entdeckung, die 
von Zeemann in Leiden 1896 gemacht wurde, die unter dem 
Namen des Zeemann-Effekts bekannt ist. Der Zeemann-Effekt besteht in der Er- 
scheinung, daß die Spektrallinien des von einem glühenden Metalldampf ausgehenden 
Lichts verbreitert und sogar in mehrere Teile zerspalten werden, wenn sich die Licht- 
quelle in einem starken magnetischen Felde befindet. Diese Entdeckung war schon von 
B. A. Lorentz vorausgesagt worden, der sie aus der Vermutung erschloß, daß schwin- 
gende Elektronen die Emissionszentren des Lichts der Spektrallinien in glühenden 
Metalldämpfen seien. Auch an der Erforschung dieses Gebietes haben neben Stark 
viele deutschen Forscher lebhaften Anteil gehabt, unter denen besonders W. Boigt ge- 
nannt sein möge. 
Zeemann-Effekt. 
  
Also auch Licht ist eine elektrische Erschei- 
nung! Die Brücke zwischen Licht und Elek- 
trizität war schon früher geschlagen worden. Schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts 
schloß Mazwell durch vorwiegend mathematische Berechnungen, daß sich die Gesetze 
über das Licht aus den in einem elektrischen Felde stattfindenden Störungen mathe- 
Hertz' Strahlen elektrischer Kraft. 
  
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