Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
14 Physitk. X. Buch. 
  
daß die Bewegung der Molekeln so erfolgt, wie es dem höchsten Grad der mathematisch 
berechneten Wahrscheinlichkeit entspricht. Die ungeordnete Bewegung sehr lleiner Teile 
kann man bei den Brownschen molekularen Wimmelbewegungen beobachten. 
Wenn nämlich in einer Flüssigkeit sehr kleine Teile suspendiert sind, so kann man unter 
dem Mitkroskop beobachten, daß diese in einer unaufhörlichen eigentümlichen zitternden 
Hin- und Herbewegung begriffen sind. Die Brownsche Molekularbewegung hat man 
direkt auf eine Bewegung der Molekeln zurückgeführt; doch sind die lleinen zitternden 
Teilchen nicht etwa die Molekeln selbst; sondern die suspendierten Teilchen werden durch 
den Stoß der Molekeln der Flüssigkeit in unaufhörlicher Bewegung gehalten. — 
Mikrofkop. Das Studium lleinster Teile ist an die technische Entwickelung des 
AIAbbe Mikroskops gebunden. Der Zenenser Phpsiker Abbé hatte eine 
neue Theorie der optischen Instrumente aufgebaut, die nicht auf 
der geometrischen Optik allein fußt, sondern die die Wellennatur des Lichtes in 
den Vordergrund rückt. Er betrachtete das in den optischen Instrumenten erzeugte 
Bild nicht als eine einheitlich definierte geometrische Größe, sondern als ein 
Beugungsphänomen. Im Verfolg seiner Untersuchungen konnte er theoretisch die 
Erenze für die Leistungsfähigkeit eines Mikroskops berechnen. Er wies nach, daß 
Einzelheiten eines mikroskopischen Objekts, die UMeiner als eine halbe Lichtwelle sind, 
also Ueiner als ½/10000 mm, nicht mehr aufgelöst, d. h. in ihrer wahren geometrischen Form 
erkannt werden können, selbst nicht unter Verwendung der allerbesten Materialien und 
unter Anwendung der höchsten optischen und mechanischen Präzision des Instrumen- 
tes. Scheinbar in Widerspruch mit diesem Dogma steht die Erfindung des sog. Ultra- 
mikroskops durch die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Zenenser Zeißwerkes Sieden- 
topf und Zsigmondy im Jahre 1905. Das Prinzip des Ultramikroskops wird uns lar, 
wenn wir daran denken, wie die in einem Luftraum enthaltenen feinen Stäubchen 
auch mit bloßem Auge sofort wahrnehmbar werden, wenn sie seitlich durch einen Sonnen- 
strahl beleuchteet werden. Die genannten beiden Forscher machen die in einer durch- 
sichtigen Flüssigkeit oder dem durchsichtigen Glase suspendierten lleinsten Teilchen durch 
seitliche Beleuchtung mit einer intensiven Lichtquelle selbst zu Lichtquellen, die nun bei 
der Beobachtung mit einem Mikroskop getrennt wahrgenommen werden können. Wenn- 
gleich die im Ultramikroskop wahrgenommenen Lichterscheinungen keinen Schluß auf 
die Form und Größe der lichtspendenden Pünktchen zulassen, so kann man mit dem Altra- 
mikroskop doch wichtige Aufschlüsse über ihre Zahl, Ordnung und Lage finden. Das 
Ultramikroskop hat sich auch zum Studium der lleinsten Lebewesen, der Bakterien als 
fruchtbar erwiesen. Oie ultramikroskopische Grenze liegt etwa bei ½800000 mm Durchmesser. 
Diese Größe ist dadurch bedingt, daß eine von einem so lleinen Körperchen ausgehende 
Lichtmenge auch bei der intensivften Beleuchtung nur so viel Licht aussendet, als das 
Auge vermöge seiner Lichtempfindlichkeit noch eben wahrnehmen kann. ODie Zeißwerke 
haben noch mehrere andere bahnbrechende Erfindungen gemacht; so müssen die Prismen-- 
fernrohre erwähnt werden, die 1895 von S. Czapski neu erfunden und von den Zeiß- 
werken in brauchbarer Form konstruiert worden sind. Bei den Prismenfernrohren 
  
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