Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
X. Buch. Oie Chemie. 153 
  
negative Maximalvalenz besitzt, die sich beide bei allen Elementen zur Zahl 8 summieren. 
Er unterscheidet Normalvalenzen und Kontravalenzen, von denen die letzteren selten 
völlig abgesättigt sind. Stark nimmt Valenzelektronen an, die sich nahe an der Ober-- 
fläche des elektropositiven Atoms befinden und die Vereinigung der Iltome bedingen. 
Tiefer in den Bau der Atome suchen die Phpysiker einzudringen auf Grund der Gesetz- 
mäßigkeiten in den Spektren der Elemente und der Zerfallserscheinungen der radio- 
aktiven Substanzen. 
Entwicklung der anorganischen Chemie. Während sich nach Aufftellung der 
Valenztheorie durch Kekulé 1858 
und noch mehr nach seiner Theorie der aromatischen Substanzen 1865 die Mehr- 
zahl der Chemiker der Fülle lockender Aufgaben und Streitfragen in der organischen 
Chemie zuwendete, die diese Theorien stellten, wurde die anorganische Chemie damals 
vernachlässigt. Dieser Zustand änderte sich jedoch im letzten Viertel des vorigen Zahr-- 
hunderts. Zn dieser Zeit entwickelte sich hauptsächlich aus der Untersuchung phpsikalischer 
Eigenschaften anorganischer Substanzen die phpsikalische Chemie. Das periodische System 
der Elemente von Newlands, Lothar Meyer und NMendelesjeff brachte diechemischen 
Urstoffe in eine Art gesetzmäßiger Beziehung zueinander. Die Ausfüllung von Lücken im 
periodischen Sosteme durch das 1875 von Lecoq de Boisbaudran entdeckte Gallium, das 
1879 von Nilson entdeckte Skandium und das 1886 von Clemens Winkler in Freiberg im 
Argprodit entdeckte Germanium bestätigten Mendelejeffs Voraussagen über die Eigen- 
schaften der von ihm vorihrer Entdeckung Ekabor, Ekaaluminium und Ekasilizium genannten 
Elemente in glänzender Weise. So wuchs das Interesse an Forschungen auf dem Gebiet 
der anorganischen TChemie. Die Verwendung elektrischer Ströme zur Elektrolyse wässe- 
riger Lösungen und die Schmelzelektrolpse brachten neue Entdeckungen. Im elektrischen 
Ofen erhielt die Chemie einen Apparat, in dem sich neue Reaktionen bei außerordentlich 
hohen Temperaturen hervorrufen ließen. Im Gegensatz dazu gestattete die Erfindung 
von Kältemaschinen die Erzeugung so niedriger Temperaturen, daß man schließlich alle 
gasförmigen Elemente in den flüssigen und die meisten auch in den festen Aggregat- 
zustand überführen konnte. Oiese Erfindungen und Entdeckungen gingen keineswegs 
aueschließlich aus den chemischen Instituten der Hochschulen hervor, sondern auch die La- 
boratorien technischer Betriebe sind an ihnen beteiligt. Stets wiederholt sich der Vor- 
gang, daß, sowie früher schwer zugängliche Substanzen technische Verwendung finden, 
sie durch die chemische Industrie auch der wissenschaftlichen Forschung leichter zugänglich 
werden. Uberall machen sich eben in dem unermeßlichen Gebiete der Chemie die innigen 
Beziehungen geltend zwischen Wissenschaft und Technik, einander fördernd und be- 
fruchtend. 
Hie Sdelgase. Selten hat eine chemische Entdeckung mehr Aufsehen erregt als 
die Auffindung eines neuen Elementes, des Argons, in der at- 
mosphärischen Luft 1894 durch Lord Rapleigh und William Ramsay in London. 
Den Anstoß zu dieser Entdeckung gab die Beobachtung von Lord Rapyleigh, daß das 
spezifische Gewicht des Luftstickstoffs in der dritten Dezimale höher ist als das des aus 
  
  
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