Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
154 Die Chemie. X. Buch. 
  
Ammoniack abgeschiedenen Stickstoffs. Rayleigh vereinigte sich mit Ramsay, und es 
gelang ersterem durch Ausfunken der Luft nach dem Vorgang von Cavendisch schließ- 
lich ein unveränderliches Gas als Rückstand zu behalten, während Ramsay den Stick- 
stoff mittelst Lithium oder Magnesium wegnahm. Dem neuen Element gaben NRayleigh 
und Ramsayp seiner chemischen Indifferenz wegen den Namen Argon. Sie erkannten 
in dem Argon ein einatomiges Gas, dem das Atomgewicht 39 zukommt, sein Spektrum 
bewies die Eigenart, die Beziehung zwischen den beiden spezifischen Wärmen seine 
Einatomigkeit. Ramsay schien es wahrscheinlich, daß das Argon ein Elied einer ganzen 
Gruppe in ihren Eigenschaften miteinander verwandter Elemente sei. Er wurde auf- 
merksam auf die Beobachtung F. W. Hillebrands vom geologischen Institut zu Wa- 
sbington, daß uranhaltige Mineralien, besonders Cleveit, beim Auflösen in starken Mineral- 
säuren ein Gas abgeben, das Hillebrand für Stickstoff gehalten hatte. Ramsapy wieder- 
bolte den Versuch und fand 1895, daß die gelbe Linie des Spektrums des Gases identisch 
war mit der des Elementes, das 1868 der französische Astronom Zanssen in der Chromo- 
sphäre der Sonne entdeckt hatte und für das Frankland und Norman Lockier den 
Namen Helium vorgeschlagen hatten. Heinrich Kayser stellte spektralanalytisch die 
Anwesenheit von Helium sowohl in den Gasen der Quelle von Wildbad, als in der atmo- 
sphärischen Luft fest. Ramsap und Norman Collie bestimmten das Atomgewicht 
des Helium zu 4 und erkannten in ihm ein ebenfalls einatomiges und wie das Argon 
völlig indifferentes GSas. Ramsay und Travers entdeckten dann in dem von Stickstoff 
befreiten Argon der Luft noch vier andere sogenannte Edelgase: Helium, NReon, Krppton 
und Nenon mit den Atomgewichten 4, 20, 82, 128, bei deren Trennung die Abkühlung 
durch flüssige Luft und flüssigen Wasserstoff die besten Dienste leistete. Helium und ein 
sechstes Edelgas NRiton stehen in einer höchst merkwürdigen genetischen Beziehung zu 
dem am besten untersuchten der sogenannten radioaktiven Elemente, dem Radium 
selbst. Mit dem Helium beginnend ist nunmehr in ihm, dem Neon, Argon, Krypton, 
Nenon und Niton eine Reihe chemisch indifferenter, einatomiger miteinander verwandter 
Elemente bekannt geworden, die nullwertig sind. 
Den Anstoß zur Entdeckung der radioaktiven 
Elemente gab die Auffindung der X-Strahlen 
durch Wilhelm Röntgen 1895. Bei der Untersuchung der fluoreszierenden Uran- 
salze auf etwa vorhandene unsichtbare Strahlen fand Henri Becquerel in Paris 
1896, daß sie eine Strahlenart aussenden, die er Uranstrahlen nannte, die durch licht- 
undurchlässiges Papier, selbst durch dünne Metallplättchen auf die photographische 
Platte einwirken, Baryumplatinzyanür zum Phosphoreszieren bringen und Luft elek- 
trisch leitend machen, d. h. ionisieren, worauf eine Methode zur Messung der Inten- 
sität der Strahlen gegründet werden konnte. Frau Sklodowska Curie in Paris fand 
1898, daß neben Uran — auch die Thorverbindungen diese Eigenschaft besitzen, für die sie 
den Ausdruck „Radioaktivität“ einführte. Unabhängig davon entdeckte G. C. Schmidt 
in Erlangen gleichzeitig die Radioaktivität des Thors. Die beiden radioaktiven Elemente 
Uranium und Thorium haben die höchsten Atomgewichte, Uran 238,5 und Thorium 232,4. 
Aus großen Mengen der besonders stark radioaktiven Pechblende aus dem Bergwerk 
Oie radioaktiven Elemente. 
  
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