96 Allgemeine Naturwissenschaft; Botanik; Abstammungslehre. X. Buch.
der allgemeinen Naturwissenschaft, dem Grundsatz der Unmöglichkeit eines Perpetuum
mobile in Widerspruch gerät, schreckt ihn nicht. Es ist leider eine Signatur unsrer Zeit,
daß man vielfach die Gebiete der Tatsachen von denen der Vermutung und der Deutung
nicht in der Schärfe sondert, die dem Ernste des Gegenstandes angemessen wäre. Denn
wenn auch Arrhenius viele seiner Erklärungsversuche selbst nur als wahrscheinlich hinstellt,
scheint er mir schon darin zu weit zu gehen und die Begriffe von wahrscheinlich und von denk-
bar miteinander zu verwechseln. Ich glaube, daß es sich in seiner Kosmogonie um ein Ge-
bäude von Hppothesen handelt, das, geistvoll ersonnen und im einzelnen wohl durchdacht,
einen Wert für unfre allgemeine Naturauffassung nur dadurch wird gewinnen können, daß
es zu Forschungen auf dem Gebiete der Beobachtung und der Erfahrung Anlaß gibt.
Denn die durch Experiment und Rechnung gestützte Erfahrung und deren Fortschritt
ist das eigentliche Ziel aller Naturwissenschaft; sichere Tatsachen möchten wir vor Augen
haben, an denen kein Drehen und Deuteln möglich ist. „Außerhalb der Erfahrung wird
kein Dokument der Wahrhbeit irgendwo angetroffen“, sagt Kant. Und doch schießen die
Gedanken im Geiste des Naturforschers hin und her; sie suchen Brücken zu schlagen zwischen
den als Bruchstücke uns bescherten Ergebnissen der Erfahrung, und diese Gedanken sind
es, die neben etwa gemachten ganz großen Entdeckungen einem Zeitraume das Gepräge
verleihen. Große Entdeckungen sind, da hier von Phopsik und Chemie abzusehen ist, aus
den letzten 25 Jahren auf den Gebieten der Astronomie, der Geologie und der Biologie,
der Lehre von den lebendigen Geschöpfen, den Tieren und Pflanzen, wenige zu berichten,
obgleich in dieser Epoche mehr scharfe Augen und mehr fleißige Hände am Werk gewesen
sind, als je zuvor. Es war eine Zeit emsiger, unverdrossener Arbeit, die hauptsächlich
bemüht war, auf Grundlage der unserer Periode vorausgegangenen Entdeckungen auf
biologischem Gebiete nunmehr die Frage der Ubereinstimmung der gesamten Tier- und
Pflanzenwelt mit jenen Errungenschaften durch sorgfältige und ausgedehnte Studien
zu stützen, zu erweitern und zu vertiefen.
Biologische Grundlagen. Unter den hinter unserer Periode etwas weiter zurück-
liegenden großen Leistungen bzw. Entdeckungen auf
dem Gebiet der Lebewesen möchte ich vier hervorheben: die Grundlegung der Natur-
geschichte der Bakterien durch Ferd. Cohn und Rob. Koch; die Entdeckung der Struktur
des Zellkerns bei der Teilung durch Anton Schneider; die Entdeckung Oscar Hertwigs,
daß bei der Befruchtung der Zellkern der Spermie mit dem Zellkern des Eis sich ver-
einigt; endlich die Entdeckung der Spaltung der Pflanzenbastarde durch Gregor Mendel.
Diese vier großen Würfe sind Ausgangspunkte geworden für die wichtigsten und wert-
vollsten Arbeiten und Entdeckungen auf dem Gebiete der Biologie während der letzten
25 Zahre.
Sie haben zunächst gezeigt, welch ungeheure Wichtigkeit dem genausten
morphologischen und phpsiologischen Studium der Bakterien zukommt,
wie diese nicht nur eine ungeahnte Fülle eigenartiger Lebenserscheimungen umspannen,
an die man in früheren Zeiten gar nicht hatte denken können: so die 1889 durch Hell-
Bakterien.
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