Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

in Brüssel. 631 
nicht bloss auf eine starke, sondern vor Allem auf eine gewichtige Mehr- 
heit an. 
Die Einrichtung des Congresses, wie sie von der Centralcommission in 
einem provisorischen Reglement getroffen worden, das in der ersten Sitzung 
des Congresses ohne Abänderung angenommen wurde, war im Wesentlichen 
folgende. 
Die Mitglieder schrieben sich für eine der drei Sectionen ein, welchen 
das Programm je die Vorberathung besonderer Fragen zugetheilt hatte. 
Der vor dem Beginne der Verhandlungen mehrfach geäusserte Wunsch, die 
Sitzungen der Sectionen nicht zu gleicher Zeit zu balten, damit man mehre- 
ren derselben anwohnen könne, fand der Ansicht gegenüber, welche den 
Congress in wenigen Tagen zu beendigen wünschte, keine Geltung; doch 
wurde zugegeben, dass Niemand verhindert werden solle, den Berathungen 
einer andern Section, als der er angehörte, so oft er es vorzöge, anzu- 
wohnen. Es wurden daher die Sectionssitzungen gleichzeitig alle Morgen 
(mit Ausnahme des ersten Tages) von 9 oder 10 bis 1 Uhr gehalten; in 
ihnen berieth man unter Zugrundelegung des Programmes täglich eine oder 
mehrere Fragen, beschloss über dieselben durch Zuruf oder Abstimmung und 
ernannte einen oder mehrere Berichterstatter. Die Aufgabe der lezteren 
war es, in der Regel in der Zwischenzeit bis zum Zusammentritt der allge- 
meinen Sitzung, der nach 2 Uhr erfolgte, den Bericht vorzubereiten, mit 
welchem die vorläufigen Sectionsbeschlüsse der Generalversammlung zur 
Genehmigung vorgelegt wurden. In den Sitzungen der Sectionen war die 
Debatte ganz ungezwungen, oft sehr lebhaft, nicht selten durch die Kürze 
der zugemessenen Zeit allzugedrängt; gewiss hat es ihr zum Vortheil 
gereicht, dass keine Stenographen diesen Sitzungen anwohnten. Dagegen 
war es völlig angemessen, die Verhandlungen der Generalversammlung zu 
stenographiren, in welcher die Berichte der Sectionen vorgetragen und, was 
in der Natur der Sache lag und durch den Umfang der Aufgabe unterstüzt 
ward, ohne Debatte oder nach kurzer Discussion unverändert oder mit 
wenigen Modificationen und Zusätzen angenommen zu werden pflegten. Nie- 
mand sollte über 15 Minuten das Wort haben, was jedoch nicht strenge 
gehandhabt worden ist; im Ganzen war nicht über Weitschweifigkeit zu 
klagen, Phrase und Gemeinplatz, die unvermeidlichen Gäste, machten sich selten 
bemerklich. Zum Theil gewiss war diess eine verdienstliche Tendenz der 
Sprechenden, zum Theil war es eine unwillkürliche Folge des Uıinstands, 
dass Alles in französischer Sprache verhandelt ward, die ausser den Franzosen 
und Belgiern doch den Meisten nicht so vollkommen geläufig war, dass sie 
nicht gerne zuweilen des Spruches sich erinnert hätten: Reden ist Silber, 
aber Schweigen ist Gold. Ohne Zweifel sind hierdurch die das Franzö- 
sische nicht als ihre Muttersprache Redenden bei einzelnen Punkten in 
sachlichen Nachtheil versetzt worden, im Allgemeinen aber muss die 
auf die Sache gerichtete, von sprachlichen Unvollkommenheiten absehende 
Unbefangenheit auf der einen, die entsprechende Nachsicht auf der andern 
Zeitschr. für Staatew. 1853. 4s Heft. 41
	        
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