Full text: 180 deutsche Musteraufsätze.

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Doch darf das Streben nach Würde nicht in übertriebener Ängsi— 
lichkeit so weit gehen, daß man jede entschiedene und offene Bezeichnung 
der Dinge sogar in dem Falle vermeidet, wenn dieselbe, ohne den 
Anstand zu verletzen, gebraucht werden kann. 
Eine für die Schönheit des Stils wesentliche Eigenschaft ist auch 
die Anmut. Sie offenbart sich in der leichten, ungezwungenen, 
natürlichen Bewegung der Rede und in der Gefälligkeit ihrhr Formen. 
Die Schönheit der Schreibart wird ferner durch Kebhaftigkeit 
und durch kräftige Frische der Darstellung bedeutend erhöht. an 
vermeide alle Überladungen, alles Schleppende und Trockene und 
ziehe die Sätze soviel wie möglich zusammen. 
Das Bestreben, schön zu schreiben und dem Gedankenvortrage 
Schmuck zu verleihen, darf aber nicht zu einer gezierten Ausdrucks- 
weise verleiten. · 
· Natürlickäkeih Einfachheit und Deutlichkeit bleiben immer die 
schönste Zierde der Schreibart. 
Jeder Aufsatz besteht aus mehreren Teilen. Die Hauptteile 
bilden die Einleitung, die Ausführung und der Schluß. Die Ein- 
leitung soll das Interesse des Lesers erregen, es auf einen bestimmten 
Gegenstand hinlenken. Oft genügt nur ein Satz, der natürlich und 
ungezwungen auf das Thema hinweist; doch kann derselbe bei 
manchen Arbeiten auch wegbleiben. 
Zuwischen der Einleitung und der Ausführung pflegt man einen 
Übergang zu machen, indem man angibt, welche Aufgabe man sich 
estellt, und was man mitzuteilen, auseinanderzusetzen und zu erläutern 
eabsichtigt. Die Ausführung bringt den gesammelten Stoff, geht 
ausführlich auf die Aufgabe ein und richtet sich nach dem sorgfältig 
durchdachten Plane. 
Der Schluß macht die Arbeit zu einem abgerundeten Ganzen. 
Man kann in demsel en das Behandelte in kurzen Worten nochmals 
zusammenfassen, oder auf andere Quellen der Belehrun binweisen: 
oder mit dem Ausspruche eines berühmten Mannes schließen. Der 
Umfang der Schlußworte entspreche dem der Einleitung. 
Das beste Mittel, sich eine gute Schreibart anzueignen, ist, außer 
fleißiger, mit sorgfältigem Nachdenken verbundener Übung im Ab- 
fassen schriftlicher Darstellungen, das Lesen gut geschriebener Bücher, 
welches nicht genug empfohlen werden kann. 
Über das Verfahren bei dem Fertigen von Aufsätzen merke man 
folgende Regeln: » 
Man gewöhne sich, seinen Geist für jede schriftliche Arbeit gehörig 
zu sammeln, und denke ernstlich über das nach, was man schreives 
will. Hat man den zu bearbeitenden Gegenstand reiflich erwogen 
und den zur Darstellung nötigen Stoff gewonnen, so überlege man 
sorgfältig, wie dieser Stoff am zweckmäßigsten geordnet werde, und 
entwerfe einen Plan. Dies geschieht bei kleinen, weniger bedeutenden 
und leichteren Arbeiten im Kopfe; bei größeren und schwierigen 
dagegen am besten auf dem Papiere, auf welchem wenigstens die 
Hauptgedanken in der Ordnung, wie sie aufeinander folgen sollen, 
aufgezeichnet werden. Nach diesem Entwurfe oder Plane fasse man 
dann den Aufsatz ab und beachte dabei alles zu einer guten Schreibart 
Erforderliche.
	        
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