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64. Beschreibung des Aufenthalts in der Lungenheilanstalt
Hann.-Münden.
(Aufsatz in Form eines Briefes, wie er jetzt oft verlangt wird.)
Gliederung:
J. Einleitung: Ursache der Aufnahme.
II. Hauptteil:
1. Reise nach Münden.
2. Münden und Umgebung.
3. Lage des Lazarettes.
4. Krankheit und Behandlung.
5. Kameradschaftliches Zusammenleben.
III. Schluß.
Ausführung.
Hann.-Münden, den 10. September 1911.
Sehr geehrter Herr Lehrer!
Schon einige Tage vor meiner Abreise hatte ich Ihnen mit-
geteilt, daß ich zur Heilung meines Lungenkatarrhs nach Münden
übersiedeln mußte, und Ihnen dabei das Versprechen gegeben,
Ihnen über meinen Aufenthalt im hiesigen Lazarett, über Münden
und Umgebung etwas mitzuteilen.
Diesem Versprechen komme ich heute nach.
Der Eilzug, den ich am 20. August mittags in Eisenach bestieg,
brachte mich über Bebra—Cassel nach dem alten Weserstädtchen.
Die Gegend, die ich dabei berührte, ist eine der fruchtbarsten
Deutschlands; doch hatte die große Trockenheit des Sommers die
Erträgnisse des Ackerbodens stark herabgesetzt. Verbrannte Wiesen,
abgestorbene Kartoffel= und spärliche Rübenfelder wechselten mit-
einander ab. Dabei war eine erdrückende Hitze, so daß ich froh
war, als ich Münden erreicht hatte und in einer Droschke dem
Lazarett zustreben konnte, um dort Ruhe und Erholung zu finden.
Münden ist ein Städtchen von vielleicht 14,000 Einwohnern.
Es liegt im südlichsten Zipfel von Hannover, dort wo sich Werra und
die Fulda küssen, wie der Spruch auf dem Weserstein, der am
Zusammenfluß dieser beiden Flüsse steht, so schön lautet. In der
Stadt herrscht reges Leben und Treiben; die Straßen sind eng und
winklig, die Häufer fast durchweg in niedersächsischer Bauart mit
überstehenden oberen Stockwerken und hohen Frontgiebeln auf-
geführt Besonders sehenswert sind die Hauptkirche, das Rathaus,
as Schloß und einige Häuser auf dem Kirchplatz, die mit reichen
Holzornamenten geschmückt sind. Jedes Haus ist mit einem
frommen Spruch versehen. Das landschaftliche Bild wird verschönt
durch die drei Flüsse und durch drei hier aufeinanderstoßende
bekannte Gebirgszüge, die mit herrlichem Wald bedeckt sind.
Einen schönen Blick hat man von der Tillyschanze, einem Aussichts-
turm, der eine herrliche Aussicht gestattet. Der Boden ist historisch,
denn von hier hatte Tilly Münden Prichoosten Dos Wahrzei hen
von Münden sind die vier hohen, hufeisenförmigen Türme, die Reste
der alten Stadtbefestigung. «