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Ausführung:
Die am meisten gepflegte, am weitesten verbreitete und älteste
gunst ist die Musik, für die fast jeder mehr oder weniger einge—
nommen und empfänglich ist. Fast alle Leidenschaften können durch
ihre Klänge ausgedrückt, hervorgerufen und unterdrückt werden. Sie
hebt die Begeisterung, spendet uns Trost in kummervollen Stunden,
besänftigt das leidenschaftlich erregte Herz, erweckt in uns fromme
Gefühle und Entschlüsse und trägt hauptsächlich zur Ermunterung
und Erheiterung bei.
Schon die mächtigen Völkerschaften des Altertums erkannten die
wohltätigen Wirkungen, welche die Musik auf den Menschen ausüben
kann. So verwandten namentlich die alten Griechen dieselbe nicht
allein bei ihren Schauspielen, religiösen Festen und Aufzügen, son-
dern namentlich auch im Kriege, wo sie zur Ermunterung und An-
spornung, vor allen Dingen aber zur Begeisterung der Krieger dienen
mußte. Ein Beispiel hiervon gibt uns der zweite messenische Krieg,
in welchem die Spartaner in mehreren Schlachten von den Messeniern
gänzlich geschlagen wurden. Als die Spartaner die Athener um Hilfe
baten, sandten diese nur einen Mann, und zwar den berühmten Sänger
Tyrtäus. Dieser begeisterte mit seinen Liedern die entmutigten
Krieger Spartas und trug dadurch nicht wenig mit zu den Siegen
bei, welche die Spartaner bald darauf über die Messenier erkämpften.
Aber auch Musiker waren bei den Heeren der alten Völker. So
erzählt uns die Bibel, daß bei der Einnahme von Jericho Posaunen=
bläser mitgewirkt haben. Ebenso hatten die Legionen der alten
Römer Muffrinstrumente, und unsere Vorfahren, die alten Deutschen,
Hörner, auf denen sie vor dem Kampfe einen Schlachtgesang an-
stimmten. Im Mittelalter verwandte man die Musiker bei den Heeren
außer zum Musizieren auch noch zum Signalblasen und -schlagen.
Auf diese Weise entstanden bei den berittenen Truen die
Trompeter und bei den Fußtruppen die Spielleute. Daß jedoch die
Musikkorps damaliger Zeit auch zu musizieren verstanden, beweisen
die heute noch zündenden Melodien, welche schon die tapferen Reiter
Pappenheims und die Mannschaften der jsinnländischen Reiterei be-
geisterten. Friedrich der Große hob die Militärkapellen, indem er die
Trompeten einführte, deren Benutzung bis dahin nur von der Er-
laubnis des Papstes abhing. Auch verschiedene Märsche komponierte
der große Preußenkönig, deren wohlbekannte Klänge seine Soldaten
begeisterten und zu seinen glänzenden Siegen häufig mit beitrugen.
Seit jener glorreichen Zeit wurde von militärischer Seite auf
die Musikkorps der Regimenter und auf ihre künstlerischen Leistungen
ein ganz besonderer Wert gelegt, so daß unter der ruhmreichen Re-
gierung Kaiser Wilhelm I. die Regimentskapellen zu ihrer heutigen
Vervollkommnung gelangten.
66. Die Beschreibung der Geige.
Gedankengang:
I. Einleitung. Die Geige ist das älteste unter den Streichinstru-
menten.
II. Ausführung.
I. Die Geige im Altertume.
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