dem lieblichen Waldkonzert. Bald singen sie mit vollem, bald mit
hellem Chor, bald wird eine Pause gemacht und dann wieder ein
Solo ausgeführt, an dem sich das Herz erfreut. Doch horch! — Was
klopft dort an jener Eiche? — Jetzt ist es wieder still. Es klopft
und hämmert son wieder. — Es ist der Specht, der Zimmermann
des Waldes. Er sucht die Insekten und Würmer, die unter der
Rinde der Bäume stecken, und läßt sie sich dann wohlschmecken.
Etwas tiefer im Wald, da, wo es recht still ist, sieht man auch
wohl manchmal ein flinkes Eichhörnchen an einem Baumstamme.
Doch ist es sehr scheu, und ehe man es denkt, ist es schon wieder
schwunden. .
MIZetzt ertönt auch das harmonische Glockengeläute der Herden,
welche am Morgen aus dem Tale aufbrechen, um die kräftigen,
wohlschmeckenden Waldkräuter aufzusuchen. Gar lieblich klingt diese
ununterbrochene Tagesmusik in der wunderseligen Waldeseinsamkeit
am früben Morgen.
Rehe und Hirsche sieht man wohl weniger am frühen Morgen
im Walde. Nachdem sie geäst haben, ziehen gie sich mit dem Tages-
grauen mehr und mehr in das Dickicht des Waldes zurück, denn
schon wird es lebendiger im Walde. .
Schön ist's im Wald am Morgen! Wie ein Tempel stimmt er
den Menschen andachtsvoll. Draußen rauscht und saust die Welt in
ihrer geschäftigen Erwerbslust und Genußsucht, hier das weite,
stille, grüne Zelt des Waldes mit seinen Laubbogen und Baumhallen!
Das Herz des andächtigen Naturfreundes wird zu Gott erhoben;
einsam wird er nicht allein, nicht unglücklich sein. Freudig stimmt er an:
Wer hat dich, du schöner Wald,
Aufgebaut so hoch da droben?
Wohl, den Meister will ich loben,
So lang noch mein Stimm ’ erschallt.
123. Beschreiben Sie in einem Brief an Ihren Freund Ihren
Heimatsort.
Eisenach, den 24. September 1911.
Lieber Freund!
Für Deinen letzten Brief sage ich Dir vielen Dank. Ich freue
mich, daß Du nun endlich Dein Versprechen, mich zu besuchen, wahr-
machen willst. Deinem Wunsche, Dir über Land und Leute meines
Heimatsorts, des freundlichen Städtchens Creuzburg a. d. Werra,
etwas mitzuteilen, will ich gern Folge leisten.
Wie Du weißt, liegt Crenzburg im Nordwestzipfel des schönen
Thüringens. Die Ausläufer des Thüringer Waldes und des Hainichs
stoßen hier zusammen. Crenzburg selbst liegt im schönen Tale der
Werra, die von Spichra bis Creuzburg herrliche Getreidefelder und
fruchtbare Wiesengründe durchfließt, sich aber unterhalb der Brücke
zwischen hohen Kalkfelsen hindurchzwängen muß. Die Bewohner sind
biedere Landleute. Sie haben es verstanden, jedes Stückchen brauch-
bares Land, selbst bis zu den Gipfeln der Berge hinauf, urbar zu
machen. Aus diesem Grunde hat auch der Wald der Landwirtschaft