Full text: 180 deutsche Musteraufsätze.

kurzen, treffenden Worten an den Rand. Ungerechtigkeite duldet 
er nie. Keinem seiner Untertanen versagte er das Gehör. Die 
armen Leute“, sagte er, „wissen, daß ich Landesvater bin; ich muf 
sie hören, dazu bin ich da“. 
Die freien Stunden, welche ihm die Staatsgeschäfte übri ließen 
widmete er der Musik und wissenschaftlichen Tätigkeit. uch ale 
Schriftsteller erwarb er sich Ruhm. Während der Mahlzeit unter- 
hielt er sich am liebsten mit den gebildetsten seiner Offiziere und 
mit berühmten Gelehrten, die er gern zu seiner Tischgesellschaf 
wählte. Da war er in witzigen sinnreichen Reden unerschöpflich. 
Jedes Jahr bereiste er die Provinzen, um die Truppen zu 
mustern und zugleich nach allem in der bürgerlichen Verwaltung zu 
sehen; hohe und niedere Beamte mußten da Rechenschaft über ihre 
Tätigkeit ablegen, und damit auch die Zeit, welche der König auf 
der Landstraße zubrachte, nicht unbenutzt bleibe, mußten die Land. 
räte und Amtleute neben seinem Wagen herreiten und ihm von 
dem Zustande der Kreise und Ortschaften erzählen. Auch Kaufleute 
sah er gern, um sich bei ihnen nach den Gewerbsverhältnissen und 
dem Gange der Geschäfte zu erkundigen. Mit Bauern und geringen 
Leuten redete er freundlich und treuherzig. Alle Stände hatten ha 
seiner Hilfe und unermüdeten Fürsorge zu erfreuen. · 
Nach dem Siebenjährigen Kriege war seine erste Sorge darauf 
gerichtet, die Wunden zu heilen, welche der Kampf seinem Lande 
geschlagen hatte. Das Getreide, welches er schon für den nächsten 
Feldzug hatte ankaufen lassen, verteilte er als Saatkorn unter die 
verarmten Landleute, und die Pferde, welche für das Geschütz und 
Gepäck bestimmt waren, gab er für den Ackerbau her. Aus seinen 
eigenen Ersparnissen baute er die niedergebrannten Ortschaften wieder 
auf, ließ er notleidenden Gegenden Unterstützungen zuflieten. Denn 
für sich selbst brauchte der König schr. wenig; seine Lebensweise und 
Kleidung waren sehr einfach. „Ich bin arm“, olegte er zu sagen, 
„aber der Staat ist reich; mein Schatz gehört nicht mir, sondern 
dem Staate.“ So half er mit freigebiger Hand und unermüdlicher 
Fürsorge dem gesunkenen Wohlstande seines Landes wieder auf. 
Ja, er erhob durch Herbeiziehung von Ansiedlern, die ganze Strecken 
wüstliegenden Bodens urbar machten, durch Unterstützung der Ge- 
werbtätigkeit und des Handels, durch Förderung der Rechtspflege 
und der Volksbildung sein Land zu einer Blüte, wie es sie vorher 
nie gekannt hatte. . 
Von großer Bedeutung für das Schicksal Preußeus war, daß 
der Geist treuer Pflichterfüllung, der Ordnung, Pünktlichkeit und 
Sparsamkeit allmählich auch auf das Volk überging. Wie der König, 
so dachten auch die Beamten immer an ihren Dienst; er war ihre 
Ehre, ihr Stolz. Da saßen vor den Toren z. B. die Zolleinnehmer, 
alte Soldaten des Königs, die seine Schlachten gewonnen hatten 
und im Pulverdampfe ergraut waren; sie rauchten aus ihrer Holz- 
pfeife, erhielten sehr geringes Gehalt, konnten sich gar nichts zugute 
tun, aber sie waren vom frühen Morgen bis zum späten Abend zur 
Stelle, taten ihre Pflicht kurz und pünktlich, wie alle Soldaten 
pflegen. Und der Stolz eines solchen Beamten war, daß der König 
auch ihn persönlich kannte, und wenn er einmal durch den Ort fuhr, 
während des Umspannens schweigend aus seinen großen Augen nach
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.