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richtige anerkennen, und daß sie dieselbe am liebsten sich auch an—
eignen möchten. Aber darin besteht der Frrtum der Menschen; denn
sie erkennen und beachten nicht, daß ihre Ansichten verkehrt sind, indem
sie wohl die Mängel anderer herauszustreichen wissen, aber ihre
eigenen nicht finden. Von denselben können sie sich ihr Leben lang
nicht trennen: sie sind ihnen zur andern Natur geworden. Darum
ist die Welt voller Narren, und sie werden auch nie aussterben.
Ein wahrer Narr aber ist Meister Pfriem, in W. Grimm's
Erzählung, an dem wir lernen können, wie wir es nicht machen
sollen.
Meister Pfriem war ein kleiner, hagerer Mann, der keinen
Augenblick Ruhe hatte. Sein Gesicht war leichenblaß, sein Haar
grau und struppig, seine Augen klein aber blitzend. Er tadelte alles,
wußte alles besser und hatte in allem recht. Seines Handwerks war
er ein Schuster. Kein Geselle blieb länger als einen Monat bei ihm;
denn niemand konnte ihm etwas recht machen. Bald waren die
Stiche nicht gleich, bald war ein Schuh länger, bald ein Absatz höher
als der andere, bald war das Leder nicht hinlänglich geschlagen.
Er nannte sie alle Faulenzer, trotzdem er selber keine Viertelstunde
ruhig sitzen bleiben konnte. Bauten die Zimmerleute ein Haus, so
machten sie es ihm nicht recht, und er wollte es ihnen dann selbst
zeigen, wie sie es anfangen sollten. Meister Pfriem träumte in einer
Nacht, er wäre gestorben und befände sich auf dem Wege zum
Himmel. Auf sein Anklopfen öffnete der Apostel Petrus und wollte
sehen, wer so ungestüm Einlaß begehrte. Als ihn Petrus erkannte,
warnte er ihn, von seiner Gewohnheit abzulassen und nichts zu
tadeln, was er im Himmel sähe; es würde ihm sonst übel bekommen.
Meister Pfriem konnte das Tadeln aber auch im Himmel nicht lassen,
und deshalb wurde er von einem Himmelsbewohner am Kragen
gepackt und mit unwiderstehlicher Gewalt hinausgeschoben. Aber er
tadelte auch nach dem Traume fort.
Zum Narren machen sich auch diejenigen, die die Nase zu hoch
tragen, mit Geld prahlen oder sich auf ihre Schönheit und stattliche
Figur etwas einbilden. Auch durch Schüchternheit und Ubereilung
kann der Mensch zum Narren werden; solches sehen wir an Max
Stolprian, von H. Zschokke erzählt. Dieser wurde von seinem Vetter
eingeladen, mit ihm zu speisen. Aber statt der Serviette knüpfte er
einen Zipfel vom Tischtuche in die Weste. Als er sich nun den
Schweiß von der Stirn abwischen wollte, machte er sich mit seinem
Taschentuche ganz schwarz; denn er hatte vorher unvorsichtiger Weise
den Inhalt des Tintenfasses statt den des Sandfasses auf das Papier
geschüttet und dann die Tinte mit dem Taschentuche abgewischt.
Als sich nun ein großes Gelächter und Zetergeschrei über sein schwarzes
müht erhob, sprang er vom Tische auf und zog das Tischtuch,
dessen 9 fel er in dem Knopfloche der Weste unten befestigt hatte,
hinter sich her. Daraus, daß er sich nicht in große Gesellschaft wagte,
läßt sich seine Schüchternheit erkennen. Durch seine Unbeholfenheit
machte er sich lächerlich.
So beweisen die angeführten Beispiele, daß die Menschen durch
ihre Handlungsweisen zu Narren werden, und daß die Welt mit
ihnen angefüllt ist.