Full text: 180 deutsche Musteraufsätze.

— PU 
Kein Meister wird geboren, ist auch noch keiner vom Himmel 
efallen, sondern jeder muß selbst von früh auf durch Fleiß und 
Kusdauer sich fortgesetzt weiter ausbilden, um es zum Meister zu 
ingen. 
bringes ist Pflicht der Eltern, die Kinder von Jugend an zum Fleiß 
und zur Strebsamkeit zu erziehen und für das spätere Leben vor- 
unhisden: denn das Kind ist am leichtesten dazu geeignet, alles schnell 
aufzufassen und zu lernen. 
Was in der Jugend versäumt wird, ist später schwer nachzuholen; 
denn was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Wohl 
jeder Mens hat in seiner Jugend eine besondere Zuneigung zu 
irgend einem Berufe; der eine wählt ein Handwerk, während der 
andere sich geistigen Studien mit Vorliebe widmet, der eine schwärmt 
für die Musik, ein anderer wieder für das Militär. 
Jeder Mensch, ja oft sogar ein vorher wenig begabter, kann in 
seinem Berufe zum Meister werden, wenn er Lust und Liebe zeigt 
und früh anfängt, sich Kenntnisse und Vorteile anzueignen. 
ehrreiche Beispiele liefert uns das tägliche Leben in Überfluß. 
Nehmen wir einen Turner oder Schwimmer an. Durch das 
Turnen und Schwimmen in der Jugend wird der Körper gewandt 
und gestählt, und durch fortgesetzte fleißige Übungen wird endlich 
die Relsterschaft erreicht. 
Auch ein Athlet kann sich nur durch fortgesetzte Kraftübungen, 
die schon in den Kinderjahren beginnen und immer mehr gesteigert 
werden, zur Vollkommenheit ausbilden. Die Muskeln werden immer 
kräftiger, und mit der Zeit erreicht er staunenswerte Leistungen. 
Der Musiker fängt mit kleinen Übungen an und kann es durch 
Fleiß und Ausdauer zum großen Musikkünstler bringen. 
Ein glänzendes Beispiel liefert uns auch der griechische Gelehrte 
Demosthenes. 
Durch eine schwache Stimme war Demosthenes als Redner wenig 
veranlagt, außerdem hatte er die üble Gewohnheit, beim Reden mit 
den Achseln zu zucken, wodurch er oft verspottet wurde. Durch 
anstrengende Ubungen wußte Demosthenes diese Fehler zu beseitigen. 
Durch das öftere Besteigen von Bergen dehnte er seine Lunge aus, 
und durch lautes Rufen kräftigte er seine Stimmorgane, so daß er 
bald als tüchtiger Redner auftreten konnte. Zur Beseitigung des 
Ichselzuckens hing er über seinen Schultern Schwerter auf, und 
sobald er diese beim Reden berührte, wurde er auf seinen Fehler 
aufmerksam gemacht. Durch diese andauernden Ubungen bildete sich 
Demosthenes zum berühmtesten Redner seiner Zeit aus. 
Auch der Militäranwärter sollte stets an das Sprichwort denken. 
Will er später auf eine bessere Lebensstellung Anspruch machen, so 
muß er schon frühzeitig anfangen und sich in seinen Mußestunden 
vorbereiten und weiter ausbilden; bei gutem Willen und großer 
Ausdauer wird der Erfolg nicht ausbleiben. 
Wir sehen aus diesen Beispielen, wie nötig es ist, früh anzufangen 
mit den Ubungen, um es zum Meister zu bringen; denn „ohne Fleiß 
kein Preis.“ 
Auch Schiller sagt in dem Lied von der Glocke sehr treffend: 
„Arbeit ist des Bürgers Zierde; Segen ist der Mühe Preis; ehrt 
den König seine Würde; ehret uns der Hände Fleiß.“ 
 
	        
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