Ausführung:
Da alles in der Natur dem ewigen Gesetz des Kommens und
Vergehens unterworfen ist, so lassen sich die einzelnen Erscheinungen
in derselben Zeit miteinander vergleichen. Einen solchen Vergleich
hält auch das Jahr und das menschliche Leben aus. ·
Wenn die Christenheit die Geburt ihres Heilandes feiert, ist
auch der Geburtstag jenes Wunderkindes, dessen Erscheinen von
vielen tausend Glückwünschen begrüßt und begleitet wird. Es ist
jenes Kind, auf welches mancher seine ganze Hoffnung setzt und in
welchem viele die größten Erwartungen scheir. Es kommt aber nicht
allein. In seiner Begleitung befinden sich die alten Götter, die der
Gott der Christen verdrängt hat. Zwar ist das Knäblein schwach
und bleich, doch Odin beschützt es. Rasch wächst es heran und wird
zum kräftigen Jüngling. Als solcher nimmt er den Kampf mit
jenem Greife auf, der zwar längst verschieden ist, aber dessen Eises-
hauch noch auf der Erde liegt. Nur schrittweise kann er sich Raum
gewinnen. Da kommt ihm sein Vater Odin zu Hilfe. Er entsendet
warme Winde aus dem Süden, und die Strahlen seines Auges
wärmen die Luft und beseitigen die letzten Spuren der Herrschaft
des Eisgreises. Froh und beglückt ist die Menschheit und feiert
seinem Scheiden lustige Feste. Jetzt kann fich der Jüngling zum
Manne entfalten und beginnt auch sofort mit jeinem segensreichen
Wirken. Uberall in der Natur sprießt, grünt und blüht es; die Luft
hallt wieder von schmetterndem Vogelsang. Unverzüglich beginnt
der Mensch mit der Bestellung seiner Felder und Gärten; wer aber
Zeit hat, der eilt hinaus in die große Natur, um die neue Lebens-
luft in vollen Zügen zu atmen. Doch unser Mann schafft weiter.
Was die Menschen gesät und gepflanzt haben, das läßt er wachsen
und reifen unter den glühenden Strahlen der Sonne. Reichen Segen
spendet er aus voller Hand. Doch wehe, wenn die Menschen mit
seinem Walten nicht zufrieden sind. In kurzer Zeit kann er vernichten,
was er wochenlang hat gedeihen lassen. Mit seines Vaters Hilfe
zerschmettert er den Menschen und läßt ihm seine Macht fühlen.
Doch auch er ist dem ewigen Wandel unterworfen; das weiß er auch.
Nachdem er seine ganze Kraft eingesetzt hat, läßt diese nach, und
schnell sucht er noch zu schaffen, was zu schaffen ist, um sich bei den
Menschen ein gutes Andenken zu bewahren. Er überschüttet Bäume
und Sträucher mit herrlichem Obst: sbendet reichen Segen auf Feld
und Flur und reift dem Winzer die feurige Traube. Es füllen sich
Küche und Keller, Haus und Scheune. Gern sendet er dem schaffenden
Menschen noch einige schöne Tage. Diess eilen dann hinaus, um die
letzten Wohltaten des alternden Freundes zu genießen. Besonders
die Kinderwelt benutzt diese Zeit, um sich auf abgeernteten Wiesen
und Feldern auszutoben. Doch diese Tage werden immer seltener.
Bald verhüllt er sein Haupt in einem dichten Nebelschleier, und nicht
mehr lange dauert es, da schüt#elt er sein Greisenhaupt und blendende
Schneeflocken fallen zur Erde. Eisige Winde sendet er aus dem Norden
und umweht die Menschen und die Natur mit seinem Todeshaus.
Diese aber suchen am wärmenden Ofen Schutz und warten, bis er
sein Leichentuch vollendet hat. Um diese Zeit tragen die Menschen
den grünen Wald, den sie entbehren müssen, in die Stadt und in