Full text: 180 deutsche Musteraufsätze.

die Stube, schmücken ihn mit Perlen und Lichtern und freuen sich, 
daß dieser grimmige Greis in den letzten Zügen liegt. Wenn nun 
in der Silvesternacht die Glocken erklingen und er zu Grabe getragen 
wird, ist eitel Freude und Jubel, wie bei seinem Erscheinen. Nach 
seinen Werken aber wird er beurteilt. Gern sind die Menschen 
hereit, ihm Lob zu spenden; denn oft hört man sagen: das verflossene 
Jahr war ein gutes Jahr. 
So suche auch der Mensch sich Freunde durch seine Wohltaten 
zu gewinnen; denn in diesen bleibt er den Uberlebenden erhalten. 
172. Die Seefahrt verglichen mit dem menschlichen Leben. 
Gedankengang: 
I. Einleitung: Das menschliche Leben mit seinen Freuden und 
Leiden läßr sich gut mit einer Seefahrt und ihren Schönheiten 
und Gefahren vergleichen. 
II. Hauptteil: 
1. Der sichere Hafen — das Etlternhaus. 
2. Das Auslaufen — der Eintritt ins öffentliche Leben. 
3. Viele Masten und Segel — große Hoffnungen und Erwartungen. 
4. Gute Fahrt — sichere Lebenstätigkeit. 
5. Windstille — Mutlosigkeit. 
6. Stürme — Leiden und Unglücksfälle. 
7. Klippen — Leidenschaften. 
B. Heimkehr als Wrack — Aufgeben aller Hoffnungen im Greisen- 
alter. 
III. Schluß. 
Ausführung: 
„In den Ozean schifft sich mit tausend Masten der Jüngling= 
still, auf gerettetem Boot treibt in den Hafen der Greis.“ Dieser 
schöne Spruch von Goethe enthält eigentlich den ganzen Sinn unseres 
Themas; doch sollen im nachstehenden die einzelnen Abschnitte des 
Lebens mit denen einer Seefahrt verglichen werden. 
Im sicheren Hafen liegt das neue Schiff, wohlgeborgen vor 
Stürmen und Klippen. Unermüdlich sind Handwerker damit beschäftigt, 
dasselbe seetüchtig zu machen. Auch das Kind im Elternhaus ist 
unter der sicheren Obhut der Eltern geschützt vor den Gefahren des 
Lebens, und durch gute Erziehung soll es für das Leben die sittlichen 
Kräfte erhalten. Doch wie bald wird sich das ändern. — Das Schiff, 
welches im Hafen verfault, hat seinen Zweck verfehlt. Es soll vielmehr 
hinaus zur großen Fahrt; es soll die Kosten seines Baues und seiner 
Erhaltung reichlich decken. Es soll eine Quelle des Gewinnes für 
den 1nternehmer werden. Auch der Mensch muß hinaus ins feindliche 
Leben. Er soll die Mühe der Erziehung, die Sorgen der Eltern durch 
nützliche Lebensarbeit und moralischen Lebenswandel lohnen; er soll 
ein brauchbares Glied der menschlichen Gesellschaft werden. 
Mit vielen Masten und Segeln ist das neue Schiff ausgerüstet 
und zur Ausfahrt bereit; die Anker sind gelichtet. „Glückliche Fahrt“
	        
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