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Kaisers Geburtstag! Welches freudige Gefühl durchströmt die
Brust eines jeden Deutschen un besonders eines jeden Soldaten bei
diesem Ausruf! Wieviel erhebende und freudige Erinnerungen
knüpfen siche an diese schönste aller Feiern, und noch lange Jahre,
wenn die Dienstzeit längst vorüber, wenn wir den Ehrenrock längst
abgelegt haben, werden wir uns an diesen schönsten Tag unserer
Soldatenzeit mit Freude erinnern.
Schon viele Wochen vor dem Geburtstage unseres allerhöchsten
Landesherrn wird von den einzelnen Kompagnien (Eskadrons,
Batterien) mit den Theater-, Gesangs= und sonstigen Proben zu
lebenden Bildern usw. begonnen. Da wird fleißig gelernt und
geübt; ein jeder Truppenteil, ja jeder einzelne Mitspieler, sucht sein
Bestes an dem Tage hierin zu leisten. In der Regel hat ein
älterer gewandter Unteroffizier, in den meisten Fällen jedoch der
Wachtmeister Eeldwebel die Leitung des Ganzen in der Hand,
damit an dem Tage des eigentlichen Festes ja alles „klappt“.
Einige Tage zuvor findet die Hauptprobe statt. Der gestrenge
Herr Hauptmann Witimehteer überzeugt sich noch einmal persbnlich
von dem Können seiner Spieler, verbessert hier und da, tadelt oder
lobt je nach den Leistungen diesen oder jenen und ermahnt schließ-
lich die Mitwirkenden, bei der Hauptvorstellung ja recht kaltes Blut
zu bewahren. Der Saal wird festlich geschmückt, mit grünen Zweigen
geziert und mit Fassen, Helmen usw. geschmückt.
Aber auch die Kaserne wird nicht vergessen. Ein Petteifern-
entsteht. unter den einzelnen Kompagnien; jede will die andere
(Eskadron, Batterie) in der Ausschmückung ihrer Räumlichkeiten
übertreffen. Eine ganz besondere Sorgfalt und ein oft nicht zu
unterschätzender Kunstsinn wird hierin entwickelt.
Inzwischen ist der Vorabend herangekommen. Das Musikkorps
und die Spielleute des Regiments haben sich auf dem Marktplatz
des Garnisonstädtchens versemmelt, und Punkt 9 Uhr ertönen die
erhebenden, packenden Klänge des großen Zapfenstreiche. Unter
der Führung des Regiments-Adjutanten und unter dem Geleite von
kommandierten Fackelträgern setzt sich der Zug in Bewegung und
endet in der Regel, nachdem die Hauptstraßen durchschritten sind,
auf dem Kasernenhofe. Die ergreifende Melodie des schönen Liedes:
„Ich bete an die Macht der Liebe!“ und das Abschlagen zum Gebet
eschließen für diesen Abend den Beginn der Feier.
In ähnlicher Weise findet am andern Morgen, also am Tage
des eigentlichen Festes, die Reveille statt.
Im Laufe des Vormittags folgt nun feierlicher Gottesdienst
und hierauf glänzende Parade der ganzen Garnison. Die Stadt
bar inzwischen auch ihr Festkleid angelegt. Die meisten Gebäude
aben geflaggt; alle Landesfarben findet man in der Regel vertreten,
und die meisten Bewohner lassen es sich nicht nehmen, diesen höchsten
patriotischen Festtag mitzufeiern. In Scharen strömen sie herbei,
N- das schöne Schauspiel einer großen Parade nicht entgehen
zu lassen.
Nach beendetem Vorbeimarsche rücken die Truppen in ihre
Kasernements, und nun beginnt das Festessen. Die Küche spendet
saftigen Braten, die Kantine gutes Bier. Ein jeder behauptet, 4%
gut wie an diesem Tage hätte es im ganzen Jahre nicht geschmeckt.
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