Full text: 180 deutsche Musteraufsätze.

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Die Unbestimmtheit des Ausdrucks entsteht teils aus einzelnen 
Wörtern und deren Stellung, teils aus ganzen Wendungen, oft auch 
aus Vernachlässigung der Rechtschreibung und Interpunktion. Man 
vermeide also: 1. alle Wörter, die einen Doppelsinn enthalten können, 
2. veraltete und solche, die nur in einzelnen Provinzen verstanden 
werden, 3. neugebildete, deren Sinn nicht klar vorliegt, und 4. soviel 
wie möglich alle Fremdwörter. 
Bündige Kürze im Ausdrucke wird dadurch erreicht, daß man 
alles Überflüssige wegläßt. Man befleißige c daher, mit wenigen 
Worten viel zu sagen, ohne jedoch der Deutlichkeit zu schaden. Alle 
unnützen Worte, alle überflüssigen und lästigen Wiederholungen und 
übermäßige Ausdehnungen eines und desselben Gedankens sind zu 
vermeiden. 
So empfehlenswert übrigens Kürze und Bündigkeit des Ausdrucks 
ist, so darf doch dieselbe nicht übertrieben werden. 6 
Zur erforderlichen Vollständigkeit gehört, daß man bei Darstellung 
einer Sache alles sage, was zum vollkommenen Verständnisse derselben 
notwendig ist. " 
Zu den Haupteigenschaften einer guten Schreibart gehört auch 
die Angemessenheit des Ausdrucks. eungemessen ist der Ausdruck, 
wenn er zu dem Gedanken paßt, welchen er bezeichnen soll. 
Sowohl die einzelnen Ausdrücke als auch der Ton des ganzen 
Aufsatzes müssen dem vorliegenden Gegenstande entsprechen. 
Hat die Schreibart die genannten Eigenschaften, so entspricht sie 
dem Hauptzwecke schriftlicher Darstellung; denn sie ist alsdann von 
der Art, daß das Vorgetragene richtig aufgefaßt und bertenden 
werden kann. Wer nun aber außerdem seine Worte so wählt und 
verbindet, daß durch seine Darstellung bei dem Leser oder Hörer 
Reiz und Wohlgefallen erweckt wird, der schreibt oder spricht schön. 
Die Schönheit des Gedankenvortrags wird hauztsächt durch 
Wohlklang, durch Würde und Anmut und durch Lebhaftigkeit der 
Darstellung erreicht. 
Ein Vortrag hat Wohlklang, wenn er durch den Tonfall der 
Wörter und Sätze, durch schöne Ausdrücke und durch gefällige 
Zusammenreihung der Satzteile einen angenehmen Eindruck auf das 
ehör macht. Um dies zu bewirken, vermeide man alle zu rauhen, 
hart klingenden, auf irgend eine Weise das Ohr beleidigenden Wörter 
und Redensarten; ferner gebrauche man ein und dasselbe Wort nicht 
mehrmals hintereinander; auch lasse man gleichlautende Silben und 
Wörter nicht zu nahe aufeinander folgen; Vodann vereinige man längere 
und kürzere Wörter auf eine gefällige Weise und hüte sich vor dem 
zu häsigen Gebrauche der Hilfszeitwörter. Nicht minder wird der 
Wohlklang dadurch befördert, daß man keine zu langen Sätze bildet, 
daß man einfache und 323 Sätze gehörig miteinander 
abwechseln läßt, nicht mehrere Sätze von einerlei Form und einerlei 
Wortfolge aneinanderreiht, usw. 
Die Würde der Darstellung besteht darin, daß in derselben alle 
niedrigen und gemeinen Ausdrücke, welche der niederen Volkssprache 
geläufig sind, aber der Sittlichkeit und dem Anstande widerstreiten 
vermieden sind. Man wähle deshalb nur solche Ausdrücke und 
Redensarten, die nichts Unanständiges und Anstößiges enthalten.
	        
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