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Die Unbestimmtheit des Ausdrucks entsteht teils aus einzelnen
Wörtern und deren Stellung, teils aus ganzen Wendungen, oft auch
aus Vernachlässigung der Rechtschreibung und Interpunktion. Man
vermeide also: 1. alle Wörter, die einen Doppelsinn enthalten können,
2. veraltete und solche, die nur in einzelnen Provinzen verstanden
werden, 3. neugebildete, deren Sinn nicht klar vorliegt, und 4. soviel
wie möglich alle Fremdwörter.
Bündige Kürze im Ausdrucke wird dadurch erreicht, daß man
alles Überflüssige wegläßt. Man befleißige c daher, mit wenigen
Worten viel zu sagen, ohne jedoch der Deutlichkeit zu schaden. Alle
unnützen Worte, alle überflüssigen und lästigen Wiederholungen und
übermäßige Ausdehnungen eines und desselben Gedankens sind zu
vermeiden.
So empfehlenswert übrigens Kürze und Bündigkeit des Ausdrucks
ist, so darf doch dieselbe nicht übertrieben werden. 6
Zur erforderlichen Vollständigkeit gehört, daß man bei Darstellung
einer Sache alles sage, was zum vollkommenen Verständnisse derselben
notwendig ist. "
Zu den Haupteigenschaften einer guten Schreibart gehört auch
die Angemessenheit des Ausdrucks. eungemessen ist der Ausdruck,
wenn er zu dem Gedanken paßt, welchen er bezeichnen soll.
Sowohl die einzelnen Ausdrücke als auch der Ton des ganzen
Aufsatzes müssen dem vorliegenden Gegenstande entsprechen.
Hat die Schreibart die genannten Eigenschaften, so entspricht sie
dem Hauptzwecke schriftlicher Darstellung; denn sie ist alsdann von
der Art, daß das Vorgetragene richtig aufgefaßt und bertenden
werden kann. Wer nun aber außerdem seine Worte so wählt und
verbindet, daß durch seine Darstellung bei dem Leser oder Hörer
Reiz und Wohlgefallen erweckt wird, der schreibt oder spricht schön.
Die Schönheit des Gedankenvortrags wird hauztsächt durch
Wohlklang, durch Würde und Anmut und durch Lebhaftigkeit der
Darstellung erreicht.
Ein Vortrag hat Wohlklang, wenn er durch den Tonfall der
Wörter und Sätze, durch schöne Ausdrücke und durch gefällige
Zusammenreihung der Satzteile einen angenehmen Eindruck auf das
ehör macht. Um dies zu bewirken, vermeide man alle zu rauhen,
hart klingenden, auf irgend eine Weise das Ohr beleidigenden Wörter
und Redensarten; ferner gebrauche man ein und dasselbe Wort nicht
mehrmals hintereinander; auch lasse man gleichlautende Silben und
Wörter nicht zu nahe aufeinander folgen; Vodann vereinige man längere
und kürzere Wörter auf eine gefällige Weise und hüte sich vor dem
zu häsigen Gebrauche der Hilfszeitwörter. Nicht minder wird der
Wohlklang dadurch befördert, daß man keine zu langen Sätze bildet,
daß man einfache und 323 Sätze gehörig miteinander
abwechseln läßt, nicht mehrere Sätze von einerlei Form und einerlei
Wortfolge aneinanderreiht, usw.
Die Würde der Darstellung besteht darin, daß in derselben alle
niedrigen und gemeinen Ausdrücke, welche der niederen Volkssprache
geläufig sind, aber der Sittlichkeit und dem Anstande widerstreiten
vermieden sind. Man wähle deshalb nur solche Ausdrücke und
Redensarten, die nichts Unanständiges und Anstößiges enthalten.