Die Zeit des alten deutschen Reiches. $ 29. 9]
Appellation von den Austrägen ging an die obersten Reichs-
gerichte,
2. Die kaiserlichen Hof- und Landgerichte. Nachdem
die Gerichte zum größten Teil Landesgerichte geworden waren,
hatten sich einzelne königliche Untergerichte in unmittelbaren
Reichslanden, namentlich in Schwaben und Franken, erhalten. Sie
blieben unter dem Namen „kaiserliche Hof- und Landgerichte“
zum Teil auch dann noch bestehen, als die Reichslande selbst der
Landeshoheit benachbarter Reichsstände unterlegen waren. Sie
nahmen erstinstanzliche Jurisdiktion über Reichsunmittelbare und
Reichsmittelbare in Anspruch. In ersterer Beziehung konkurrierten
sie mit den obersten Reichsgerichten, dagegen nicht mit den Aus-
trägen, in letzterer mit den Landesgerichten, soweit nicht privilegia
de non evocando entgegenstanden?, Die Appellation von ihren
Entscheidungen ging an die höchsten Reichsgerichte®,. Sie waren
eine Quelle vielfacher Beschwerden der Reichsstände, und wieder-
holt wurde ihre Abschaffung in Aussicht genommen*. Trotzdem
erhielten sie sich bis zum Ende des Reiches.
5. Die Verwaltung des Reiches.
8 29.
Die Tätigkeit des Reiches auf dem Gebiete der inneren
Verwaltung war höchst unbedeutend. Zur Überwachung des
Buchhandels bestand ein kaiserliches Bücherkommissariat zu
Frankfurt a. M. Die Post wurde zwar als kaiserliches Regal an-
gesehen, befand sich aber seit 1615 lehnsweise im Besitz des fürst-
lichen Hauses Taxis. So beschränkte sich das Reich wesentlich
darauf, in Polizeiordnungen und anderen Gesetzen allgemeine
Bestimmungen zu erlassen, während die Ausführung derselben in
den Händen der Kreise und Landesherren lag.
Als eigentliche Gebiete der Reichsverwaltung erscheinen dem-
nach nur die Heeres- und Finanzverwaltung.
Nachdem die Lehnsverfassung als Grundlage des Kriegs-
dienstes unbrauchbar geworden war, bestand ein einheitliches
Reichsheer überhaupt nicht mehr!. Die Reichsarmee wurde im
Kriegsfalle aus den Kontingenten der einzelnen Länder gebildet,
Die Größe derselben bestimmte sich nach den Reichsmatrikeln,
von denen die erste aus dem Jahre 1422 stammt. Später blieb
dafür lange Zeit die Wormser Reichsmatrikel von 1521 maß-
gebend?. Seit 1555 wurde das Kriegswesen Kreissache, die Kreise
s W.C. Art. XVII 8 9 u. 11. Vgl. Schroeder, R.G. 586 ff.
° W.C. Art. XVII 8 10,
* Instr. pac. Osnabr. Art. V 856. W.C., Art. XVIII $ 10. Schroeder,
ı M, Jähns, Zur Geschichte der Kriegsverfassung des Deutschen Reiches,
in Preuß, J. 84 1, 113 ff, 443 ff., 40 500 ff.; Schroeder, R.G. 524 ff., 853 fl.
2 Neue Sammlung 2 215 ff.; Zeumer, Quellensig. 313 ff.