il. Ursachen und Ausbruch der Revolution. 1031
tum geleiteten, auf ein nicht minder starkes Heer als letzte Macht-
grundlage gestützten Obrigkeitsstaates. Das ist zuzugeben, nicht
aber, daß wir allein schon deshalb revolutionsreif gewesen wären.
Richtig ist nur, daß diese Eigenart unseres Staatswesens dem
Einswerden von Staat und Volk, welches Ausgangs- und Zielpunkt
aller vorausschauenden Staatskunst sein muß, nachhaltig entgegen-
stand, daß sie Staat und Volk dauernd anseinanderhielt, die
unteren Klassen und damit die Massen des Volkes dem Staate
entfremdete. Richtig ist ferner, daß das von einem streng mo-
narchistisch-aristokratischen Offizierkorps geführte Heer letztlich‘
doch das nicht war, was es sein sollte und auch wollte, „das Volk
in Waffen“, sondern eine selbständige Macht im Staate darstellte,
die in sich — insbesondere in einem grundlegenden Punkte: der
Gestaltung des Verhältnisses zwischen Offizier und Mannschaft —
noch viel autoritärer, weit undemokratischer verfaßt war als das
Staatsganze, und mit dieser ihrer altüberlieferten Heeresverfassung
zu der nicht demokratischen, immerhin doch konstitutionellen
Staatsverfassung in unverhülltem Gegensatz stand. -
Aber alle diese inneren Spannungen waren doch nur loca
minoris resistentiae, schwache Stellen ım Staatsorganismus, wo
revolutionäre Infektionen leicht eindringen, der innere Feind Fuß
fassen konnte. Die eigentlichen oder gar alleinigen Ursachen des
Zusammenbruchs bedeuteten sie nicht. Was die Revolution erst
ermöglicht, dann herbeigeführt hat, ist der Verlauf und Ausgang
des Krieges,
Das deutsche Volk ist einig, zuerst noch unbelastet durch um-
stürzlerische Bestrebungen auch nur einer Minderheit, in den Krieg
gegangen, einig vor allem, weil es in dem Kriege eine Lebensnot-
wendigkeit, einen reinen Verteidigungskrieg sah. Keine Partei lehnte
diesen Krieg oder gar die Staatsgewalt, die ihn führte, zunächst
ab — zunächst. Es blieb nicht dabei. Ein kleiner, aber an Einfluß
auf die Massen stetig wachsender Teil der Sozialdemokratie sonderte
sich als „Unabhängige sozialdemokratische Partei“ ab, verweigerte
von da ab die Bewilligung der Kriegskredite und machte sich in
ungehemmtem Radikalismus an sein Werk, Volk und Heer zu
revolutionieren. Und auch in anderen, an sich weder revolutionär
noch antimilitaristisch gesinnten Kreisen wuchs, wenn nicht die
Feindschaft gegen den Krieg, so doch die Unlust an ihm, als eine
von der Reichsleitung nicht geförderte, aber geduldete und ihr
deshalb vom Volke zur Last gelegte Propaganda auf den Plan
trat, die, in ihren Zielen rein aggressiv und imperialistisch, in
ihren Mitteln nicht immer wählerisch, den Verteidigungskrieg in
einen Eroberungskrieg umwandeln wollte. Auch im Heer (nicht
freilich bei den Offizieren, aber bei den Mannschaften) fand diese
Stimmung allmählich Boden. Sie wurde — genährt durch das
Bewußtsein, in einem ungleichen und, trotz aller glänzenden
Einzelerfolge, doch ergebnis- und aussichtsloseem Kampfe gegen
eine wachsende Übermacht zu stehen — zur Kampfunfreudigkeit,