Die Zeit des Deutschen Bundes. $ 46. 133
Staatsgewaltb. Wo aber keine Staatsgewalt ist, da kann auch
keine gesetzgebende Gewalt vorhanden sein, denn die gesetz-
gebende Gewalt ist eine Funktion der Staatsgewalt. Wohl konnte
der Bund allgemein Normen feststellen, welche seine eigenen An-
gelegenheiten ordneten und seine Mitglieder, die Staaten, ver-
pflichteten. Gesetze waren diese Normen jedoch nicht, wenngleich
sie bisweilen in der Literature und vereinzelt auch im amtlichen
Sprachgebrauch des Bundesd als solche bezeichnet wurden. Sie
hatten vielmehr den Charakter vertragsmäßiger Willenserklärungen®,
Ihrer Benennung als „Bundesbeschlüsse“ steht ein logisches
Hindernis nicht entgegen.]
Dem Bunde stand zunächst ein unbedingtes Beschlußfassungs-
recht in bezug auf seine eigenen Angelegenheiten zu.
Beschlüsse der Bundesversammlung, welche den Bund selbst zum
Gegenstande hatten, waren ohne weiteres verbindlich; sie bedurften
keiner Publikation. Zu den Bundesbeschlüssen dieser Art ge-
hörten auch die authentischen Interpretationen der Bundesverträge
und -beschlüsse, namentlich der Bundesgrundverträge. Für letztere
war selbstverständlich, ebenso wie für die Abänderungen, ein
Plenarbeschluß mit Stimmeneinhelligkeit erforderlich ?,
Diejenigen Bundesbeschlüsse, welche in die Ver-
hältnisse der einzelnen Staaten eingriffen, hatten nicht
ohne weiteres verbindliche Kraft für die Angehörigen derselben.
Wohl aber entstand, soweit sie sich innerhalb der Kompetenz des
Bundes bewegten. für die Bundesglieder die Verpflichtung, sie bei
sich einzuführen®. Bei Gründung des Bundes galt in den meisten
deutschen Staaten der Monarch noch als alleiniger Inhaber der
Gesetzgebungsgewalt; die Einführung der Bundesbeschlüsse konnte
daher ohne Unterschied ihres Inhaltes durch einen von ihm er-
teilten Befehl (Verordnung) erfolgen. Dies änderte sich mit der
Entstehung konstitutioneller Verfassungen. Durch sie wurde der
Grundsatz anerkannt, daß Gesetze nur mit Zustimmung der
Landtage erlassen werden konnten. Einige Verfassungen be-
schränkten diese Bestimmung allerdings insofern, als sie die Ein-
führung von Bundesbeschlüssen durch bloße Publikation derselben
seitens des Monarchen gestatteten*. Wo aber eine solche Ver-
Oben $ 13 S. 46,
S. die Zitate $ 41 N. b.
2. B. W.S, A. Art. 11.
Oben 8 13 S. 47, 8 41 S. 124.
W.S.A. Art. 4.
ı Vgl. $ 42 8. 127f.
3W.S.A. Art. 32. Westerkamp, Staatenbund und Bundesstaat 313
scheint auch für diese Bundesgesetze eine unmittelbar verpflichtende Kraft
anzunehmen und eine Einführung durch die Bundesglieder nicht für er-
forderlich zu erachten. Das ist selbstverständlich ganz verfehlt.
* Sächs. Verf. $ 89, Hann. St. G.G. vom 6, Au. 1840 $ 2, Württ. Verf.
8 3, Bad. Verf. $ 2, Hess. Verf. $ 2, Braunschw. N. 1.0. $ 12, Sache.-Kob.-
Goth. St. G. G. $ 2, S.-Altenb. L. G. G. g 12, Oldenb. Verf. $ 2, Reuß j. I.
St. G. G. $ 2, Schwarzb.-Sondersh. Verf. 5 3.
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6
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