172 Erster Teil. Viertes Buch. $ 59.
Forderungen fanden sowohl in Anträgen, welche in der badischen
und hessischen zweiten Kammer gestellt wurden, als in den Ver-
handlungen der Heidelberger Versammlung vom 5. März und des
sogenannten „Vorparlamentes* zu Frankfurt a. M. (einer von
keiner amtlich dazu ermächtigten Seite einberufenen Versammlung
von Landtagsabgeordneten, Ständemitgliedern, Gemeindevertretern,
Privatpolitikern aller Art& ihren Ausdruck.
Der Bundestag faßte plötzlich, unter dem Druck dieser Be-
wegungen, großenteils ohne Instruktionseinholung, eine Reihe der
einschneidendsten Beschlüsse, Am 93. März wurde den einzelnen
Staaten freigestellt, die Zensur aufzuheben und Preßfreiheit bei
sich einzuführen?, am 9. März nahm der Bund den deutschen
Reichsadler mit der Umschrift „Deutscher Bund“ als Bundes-
wappen und die Farben schwarz-rot-gold als Bundesfarben an®.
Ein B. B. vom 2. April schaffte die sogenannten Ausnahmegesetze
ab*, ein gleicher vom 7. April ordnete die Wiederveröffentlichung
der Bundesprotokolle an. Am 10. März hatte die Bundes-
versammlung die Regierungen eingeladen, Männer des allgemeinen
Vertrauens, und zwar für jede der 17 Stimmen des Engeren Rates
einen, abzuordnen, um die Bundesversammlung bei der Revision
der Bundesverfassung zu unterstützen®. Diese traten alsbald zu-
sammen und überreichten am 26. April den Entwurf eines deutschen
Reichsgrundgesetzes’. Inzwischen war durch B.B. vom 30. März
und 7. April die Berufung einer konstituierenden National-
versammlung angeordnet worden®, welche nach einem weiteren
Beschlusse vom 26. April? am 13. Mai in Frankfurt a. M. zu-
sammentreten sollteb,
Vgl. v. Sybel a. a. O. 1 147, 148, 150 ff.
Meyer, Corp. jur. Confoed. German. 3 460 ff.
Meyer a. a. O. 465.
. Meyer a. a. O. 475.
. Meyer a. a. O. 479.
.v, Meyer a. a. O. 465 u. 466.
7 G.v. Meyer a.a.O. 490 ff.; Roth und Merck a.a.O. 1 370 ff. Haupt-
verfasser dieses Entwurfs waren Dahlmann und Albrecht, Der Entwurf ist
jetzt auch abgedruckt in Bindings Deutschen Staatsgrundgesetzen, Heft 2,
4. A. (1914) 97 ff. Über ihn Hübner, Der Verfassungsentwurf der 17 Ver-
trauensmänner [Vortrag, gehalten auf dem Internationalen Kongreß in London
1913, abgedruckt in Essays in legal history, edited by Paul Vinogradoft,
Oxford 1913, 384 ff].
8 G.v. Meyer a. a. O. 468 u. 479.
9% G. v. Meyer a. a. O. 489.
b Der B.B. vom 30. März schrieb vor, daß in jedem zum Deutschen
Bunde gehörigen Staate zu der Nationalversammlung auf je 70000 Seelen
der Bevölkerung ein Abgeordneter gewählt werden solle, und zwar „auf
verfassungsmäßig bestehendem Wege“, d. Ih. nach Maßgabe des in jedem
Staate geltenden Landtagswahlrechts. Das Vorparlament (s. oben im Text)
:demokratisierte diesen Beschluß am nächsten Tage, dem 31. März, dahin,
daß nicht auf 70000, sondern auf 50000 Einwohner ein Abgeordneter ent-
fallen solle, und daß die Wahl überall nach allgemeinerın und gleichem
Stimmrecht zu vollziehen sei. Ferner beschloß das Vorparlament, daß das
solchergestalt zu wählende Parlament die neue deutsche Verfassung nicht,
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