236 Zweiter Teil. Erstes Buch. $ 74.
Erstes Buch.
Der Herrschaftsbereich.
1. Das Gebiet!.
8 74.
Der Herrschaftsbereich eines Staates bestimmt sich
durch zwei Momente: das Staatsgebiet und die Staats-
angehörigkeit.
Objekt der staatlichen Herrschaft sind nur Personen und
Vereinigungen von Personen?. Zu den letzteren gehören nicht
bloß Vereine und Korporationen, sondern auch diejenigen engeren
politischen Gemeinwesen, welche Bestandteile eines größeren poli-
tischen Verbandes bilden. Das Gebiet ist kein Objekt, sondern
der Schauplatz der Staatsherrschaft®. Es bestimmt nur den räum-
I Fricker, Vom Staatsgebiete, Tübingen 1867; Derselbe, Gebiet und
Gebietshoheit (1901); W. van Calker, Besprechung der letzteren Schrift
Frickers in der KritVJSchr., 3. Folge, 10 603 ff. ein höchst sorgfältiges
Referat nicht nur über den Inhalt und die dogmengeschichtliche Bedeutung
der Frickerschen Arbeit, sondern über den Stand der Lehre von der Gebiets-
hoheit überhaupt); Poezl, Art. „Staatsgebiet“ in Bluntschlis Staatswörter-
buch 3 570 ff.; Brockhaus, Art. „Staatsgebiet“ in v. Holtzendorffs Rechts-
lexikon 8 749 ff.; G. Bansi, Die Gebietshoheit als staatsrechtlicher Begrift
durchgeführt, in Ann.D.R, (1898) 641 ff.; Taband, Staatsr. 1 190 ff.; Jellinek,
Staatsl. 3831 .; v. Seydel-Tiloty, Bayrisches Staatsrecht 1 204 f.; Affolter in
Ann.D.R. (1908) 116 ff.; Anschütz, Enzykl. 78ff.; Radnitzky im Arch.ÖfE.R.
>0 313ff.; Geficken, Das Gesamtinteresse als Grundlage des Staats- und
Völkerrechts (1908) 13; Stier-Somlo, Preuß. Staatsrecht 1 128 ff.
® Die Behauptung von Preuß, Gemeinde, Staat, Reich 178, daß Objekte
der Herrschaft nur Sklaven und Sachen sein könnten, trifft lediglich für das
Privatrecht zu. Auch die Einwendungen von Heilborn, System des Völker-
rechts (Berlin 1896) 77 ff. gegen die Bezeichnung der Staatsangehörigen als
Objekte der Staatsherrschaft beruhen auf einer Verkennung der Verschieden-
heit stuatlicher und privatrechtlicher Herrschaft.
° Sog. „Raumtheorie“ (oder, wie Radnitzky a. a. O. 313 sagen will:
Eigenschaftstheorie“) im Gegensatz zu der früher herrschenden, im wesent-
lichen durch Fricker (Zitate oben Anm. 1) überwundenen „Eigentums“-
oder „Objektstheorie“. Die letztere und die ihr entsprechende "Bezeichnung
des Gebietes als Objekt der Staatsherrschaft ist noch immer ziemlich ver-
breitet: v. Gerber, St.R. (3 22) 65 ff.; Laband, Staatsrecht 1 191, Kl. A. 37;
Seydel-Piloty, Bayrisches Staatsrecht 1 204; Heimburger, Erwerb der Ge-
bietshoheit 126 .; Brie, Theorie der Staatenverbindungen 13; Bornhak,
Preußisches Staatsrecht 1 238f., Clauß, Die Lehre von den Staatsdienstbar-
keiten 173 ff.; Leoni, Öffentliches Recht von Elsaß-Lothringen 12. Vgl. da-
egen Fricker a. a. O. und van Calker a. a. O. Es ist übrigens zuzugeben,
daß bei dieser Bezeichnung vielfach nur eine nicht zutreffende Ausdrucks-
weise vorliegt, während die rechtliche Bedeutung des Gebietes materiell
richtig erkannt ist. So tritt namentlich Heilborn a. a. O0. 5ff. für die Auf-
fussung des Gebietes als Objekt der Staatsherrschaft ein, während er S. 38
vollkommen zutreffend bemerkt, daß der Staat ein Gesetzgebungs-, Zwangs-
und Jurisdiktionsrecht nur über Menschen habe. Zitelmann, Internationales
Privatrecht 1 91 erklärt die Gebietshoheit staatsrechtlich nur für eine Herr-