246 Zweiter Teil. Erstes Buch. $ 75.
und die Entlassung aus dem Staats- und Reichsverbande steht den
Behörden der Einzelstaaten zu. Doch ist die Vertauschung der
Staatsangehörigkeit eines deutschen Staates mit der eines anderen
deutschen Staates außerordentlich erleichtert.
Die Regel, daß die Reichs- an die Staatsangehörigkeit ge-
knüpft ist, Reichsangehörigkeit also ohne Zugehörigkeit zu einem
Staate des Reichs nicht bestehen kann, erleidet Ausnahmen. Der
Inbegriff der letzteren ist die unmittelbare Reichs-
angehörigkeit. Unmittelbar reichsangehörig sind zunächst die
Landesangehörigen von Elsaß-Lothringen, d. h. diejenigen Per-
sonen, welche Angehörige des Staates Elsaß-Lothringen sein
würden, wenn Elsaß-Lothringen ein Staat wäre!!; sodann die-
jenigen, denen die unmittelbare Reichsangehörigkeit durch Ver-
fügung des Reichskanzlers oder der von ihm bezeichneten Behörde
in Gemäßheit des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom
22. Juli 191312 verliehen worden ist.
[Die Gründe des Erwerbes und Verlustes der deutschen Staats-
angehörigkeit sind im StAG. aufgezählt. Diese Aufzählung ist der
Landesgesetzgebung gegenüber eine erschöpfende (kodifikatorische),
d. h. es können durch Landesgesetz nicht noch andere Erwerbs-
und Verlustgründe statuiert werden. Nicht aber ist hiermit ge-
sagt, daß es außer den im StAG. genannten überhaupt keine
Rechtstatsachen geben könne, welche die Staatsangehörigkeit ent-
stehen oder untergehen lassen. So kann, obgleich das StAG. da-
von nichts erwähnt, die Staatsangehörigkeit entstehen durch Er-
werb (Annexion) und erlöschen durch Abtretung (Zession) von
Staatsgebiet; sie kann ferner entstehen und untergehen dadurch,
daß die zedierten Deutschen bzw. annektierten Ausländer auf Grund
einer einschlägigen Bestimmung des Zessions-(Annexions-) Vertrages
(Optionsklausel) zugunsten ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit
optieren'®.]
11 Landesangshörige von Elsaß-Lothringen sind vor allem diejenigen,.
welche durch die Annexion des Reichslandes aus Franzosen zu Deutschen
wurden, sowie ihre Abkömmlinge; ferner die landesfremden Deutschen und
Ausländer, denen die elsaß-lothringische Landesangehörigkeit durch Auf-
nahme bzw. Einbürgerung seitens der zuständigen Behörden des Reichslandes-
verliehen worden ist. Im Sinne des neuen StAG. (vgl. $2 Abs. 1 desselben)
ilt Elsaß-Lothringen als deutscher Einzelstaat. Es gilt als solcher, ist aber
einer (vgl. oben S. 227, 228 und unten $ 138), deshalb kann es auch eine elsaß-
lothringische Staatsangehörigkeit im Rechtssinne nicht geben. UÜberein-
stimmend: Laband 2 220ff., Kl. A. 186; Zorn, Staater. 1 559 ff; Jellinek,
Staatenverbindungen 279; Haenel, Staatsr. 1 832; Anschütz, Enzykl. $ 16
S.84fl. A.M. die Voraufl. $ 75 Anm. 11.
12 StAG. $$ 3—35. Vgl. unten $. 258,
19 [Yel, die Literatur des Völkerrechts, z. B. v. Liszt, Völkerrecht
(9. Aufl.) 94 ff.; Ulmann, Völkerrecht 229. Eine ausführliche monographische
Darstellung dieser Materie gibt Stoerk, Option und Plebiszit bei Eroberungen
und Gebietszessionen (1879), — Daß der Erwerb bzw. Verlust der Staats-
angehörigkeit durch Option vom StAG. unberührt gelassen ist, ist in der
Begründung des Entwurfs dieses Gesetzes (zu $ 2 des Entw., Begründung
S. 21) ausdrücklich bemerkt.]