Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

294 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 89. 
Die Frage, ob bei der kognatischen Erbfolge in demselben 
Grade oder derselben Linie das männliche Geschlecht einen 
Vorzug begründet oder ob dasselbe sogar den Vorzug der Linie 
oder des Grades überwindet, ist nach dem speziellen Recht des 
betreffenden Fürstenhauses zu entscheiden ?, 
Die Kognaten werden sofort nach ihrem Eintritt in die Re- 
gierung der bestehendem Erbfolgeordnung unterworfen, so daß 
also auch bei ihnen Vorzug des Mannsstamms und Linealerbfolge 
mit Primogeniturordnung gilt!®. Vgl. auch oben $ 87, vorletzter 
satz, 
8 89. 
Die Fähigkeit zur Thronfolge ist an gewisse besondere Er- 
fordernisse hinsichtlich der Abstammung geknüpft. 
Das Deszendentenverhältnis muß ein wirkliches und ehe- 
liches sein. Adoption begründet kein Sukzessionsrecht !, ebenso 
wenig uneheliche Abstammung. Auch nicht bei nachfolgender 
Legitimation ?, 
Breslau 1883; Rehm, Mod. Fürstenr. 397; Anschütz, Euzykl. 131. Das ganz 
singuläre Kognatenfolgesystem des badischen Hausges. von 1817 bewirkt 
einen gewissen Vorzug der Regredienterben; vgl. Eisenlohr a.a.O. 16. 
° H. A. Zachariä, St.R. ($ 73) 1 373, Zöpfl, St.R. $ 253) 1 712 wollen 
den Vorzug des Geschlechts bei gleicher Linie und gleichem Grade an- 
erkennen, Held, Verf.-R. ($ 346) 2 264 räumt demselben eine unbedingte 
Geltung ein, und Grotefend, St.R. $ 392 will ihm nicht einmal in derselben 
Linie eine Bedeutung zugestehen. Ein allgemeines Prinzip läßt sich aber, 
wie auch v. Gerber, St.R. ($ 30) 95 hervorhebt, in dieser Frage nicht auf- 
stellen. Selbst die Grundsätze des gemeinen Lehnrechts über diesen Punkt 
sind bestritten. Vgl. v. Gerber, Deutsches Privatrecht $ 271, 17. Aufl. von 
Cosack $ 318; Eichhom, Einleitung in das deutsche Privatrecht $ 358; 
Beseler, Deutsches Privatrecht $ 166; Rehm a.a. 0. 393. — Positivrechtlich 
ist für den Übergang der Krone von den Agnaten auf die Kognaten das 
weibliche Geschlecht, jedoch nur „ratione transmissionis“, dem männlichen 
gleichgestellt in Bayern, Sachsen, Württemberg und anderwärts, während 
as badische Grundges. und Familienstatut von 1817 $ 3 dem männlichen 
Geschlecht einen absoluten Vorzug einräumt, d. h. Weibersukzession un- 
bedingt ausschließt (Eisenlohr a. a. O. 16). 
10 Bayr. Verf. Tit. II ac Sächs. Verf. $ 7, Württ. Verf. $ 7, Hess, Verf. 
Ar. 5 Schw.-Sondersh. LGG. 8 13, Wald. Verf. $ 15, Schaumb.Lipp. Verf. 
1 Durch Hausgesetze ist den Mitgliedern des fürstlichen Hauses die 
Adoption häufi anz untereagt. Bayr. Familienstatut Tit. II $ 5, Sächs. 
Hausges. $ 13, 3 Kob.-Goth. ausges. Art. 97, Wald. Hausges. $ 12. 
2 Das Institut der Legitimation war dem alten deutschen Rechte fremd 
und ist beim hohen Adel niemals rezipiert worden. Früher bestand Streit, 
ob auch die sogenannten Mantelkinder, d. h. die durch die nachfolgende Ehe 
legitimierten Personen von der Sukzession ausgeschlossen seien. Die Frage 
ist mit Recht von der neueren Wissenschaft fast einstimmig bejahend ent- 
schieden worden. H. A. Zachariä, St.R. ($ 67) 1 351ff.; Grotefend, St.R. 
& 390; Held, Verf.-R. ($ 325) 2 226; v. Rönne-Zorn, Preußisches Staatsrecht 
1 220; Bornhak, Preuß. Staatsr. 1 175; H. Schulze, Preußisches Staatsrecht 
57, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts ($ 94) 1 215; Poezl, Bayrisches 
erfassungsrecht $ 147; R. v. Mohl, Württembergisches Staatsrecht $ 25;
	        
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