Die Organe, 8 89. 301
dies die Hausverfassung vorschreibt, eine Mitwirkung der Agnaten
statt; diese Mitwirkung hat aber auch in diesem Falle nicht den
Charakter eines Verzichtes auf wohlerworbene Rechte 28,
Die Form der morganatischen Ehe ist auch jetzt noch
bei Mißheiraten in den deutschen Fürstenhäusern üblich, obwohl
sich deren Wirkungen von selbst verstehen.
Jedes Mitglied des Fürstenhauses, welches den hinsichtlich der
Abstammung vorgeschriebenen Erfordernissen entspricht, ist zur
Nachfolge berechtigt‘. Früher?5 wurde außerdem noch körper-
—— .
folgerechts (vgl. hierüber oben $ 86 S. 286f. und $ 87 Anm, b) mag das aller-
dings „selbstverständlich“ sein. — Die rechtliche Beseitigung von Erwerbe-
mängeln, insbesondere die Erklärung einer notorisch unebenbürtigen Ehe zu
einer ebenbürtigen, bedeutet eine Dispensation von Normen des 'I'hronfolge-
rechts, kann also nur durch die Faktoren und in den Normen bewirkt werden,
von bzw. in denen das Thronfolgerecht abgeändert werden darf: vgl. hierüber
oben $ 86 S. 287, 288 und Anschütz, Enzykl. 131. Ob die Dispensation ein
Verfassungsgesetz ad hoc erfordert oder im Wege der Hausgesetzgebung
vorgenommen werden kann, ist hiernach eine für jede einzelne Verfassung
besonders zu beantwortende Auslegungsfrage. Zutreffend bemerkt Loening,
Heilung notorischer Mißheiraten 48 ff., die im Text vertretene Ansicht sei
nur für diejenigen souveränen Häuser richtig, deren Autonomie durch die
Verfassung beschränkt worden ist. Wenn derselbe Schriftsteller aber an-
nimmt: „Erklärt die Verfassung, daß Geburt ‚aus ebenbürtiger Ehe‘ erforder-
lich, so überläßt sie die nähere Bestimmung des Ebenbürtigkeitsbegriffs der
Hausgesetzgebung“, so muß dies als eine unzulässige Veral gemeinerung be-
zeichnet werden (dasselbe ist gegen Rehm, Oldenburger Thronanwärter 37
zu bemerken). Der Sinn solcher Ausdrucksweise der Verfassungen kann
auch und wird meistena der sein, daß der Inhalt der hausrechtlichen Normen
über die Ebenbürtigkeit nach dem Stande zur Zeit des Inkrafttretens der
Verfassung hat ve asaungegesetzlich festgelegt werden wollen. In diesem
Sinne sind im Zweifel die Verfassungen der oben $. 287 (Schlußanmerkun
zu $ 86) angegebenen ersten Gruppe auszulegen. ereinstimmend: Boll-
mann, Die Lehre v. d. Ebenbürtigkeit in deutschen Fürstenhäusern usw. 56;
Schücking, Die Nichtigkeit der Thronansprüche usw. 59 ff.; Derselbe. Art.
Ebenbürtigkeit, WStVR. 1 627, 628. Ein Zusammenwirken von Staats-
und Hausgesetzgebung ist auch bei Heilung von Mängeln der hier in Rede
stehenden Art niemals (außer wenn es durch die Verfassung ausdrücklich
vorgeschrieben ist) erforderlich; vgl. oben $ 86 S. 283.]
.. 3 Vgl.$ 868. 283f. Übereinstimmend: Seydel-Piloty, Bayrisches Staats-
recht 195, 100; Hauke, Geschichtl. Grundlagen des Monarchenrechts (1894) 115 ;
Wielandt, Badisches Staatsr. 27; Pagenstecher, Thronfolge in Hessen 69.
Diesen Grundsätzen entsprechend ist in neuerer Zeit in mehreren Staaten
verfahren worden. In Sachsen-Meiningen hat das G. vom 9. März 1896 Art. 1
eine Ehe, deren Ebenbürtigkeit bestritten war, als ebenbürtig anerkannt;
in Schwarzburg-Rudolstadt (G. vom 1. Juni 1896 Art. 1) und Schwarzburg-
Sondershausen (G. vom 14. Aug. 1896) ist ein Imebenbürtiger Sproß des
Fürstenhauses für ebenbürtig erklärt worden. Über diese Fälle vgl. die
mehrfach zitierte Schrift von Loening: Heilung notorischer Mißheiraten, ferner
Rehm, Mod. Fürstenr. 19, 37, 111ff., sowie Bornhak in Ann.D.R. (1904) 411 ff.
% Fricker, Thronunfähigkeit und Reichsverwesung, Z.Staats\V, 81 199.
# Gold. Bulle c. XXV: ... „primogenitus filius succedat in eis (den
Kurfürstentümern), sibigue soli ius et dominium competat, nisi forsitan mente
captus, fatuus seu alterius famosi et notabilis defectus existeret, propter quem
non deberet seu posset hominibus principari.“ — Daß diese Bestimmung
als ein „Organisationsgesetz des alten Reichs“ mit letzerem untergegangen
bei (Abraham, Der Tbhronverzicht nach deutschem Staatsrecht 76 Anm. 3),
rifft nicht zu,