Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

370 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 105. 
ektive Rechte und Pflichten der einzelnen Abgeordneten. 
Die hier in Frage kommenden Rechte sind öffentliche, nicht Privat- 
rechte. Sie können daher weder im Wege der Klage geltend 8° 
macht, noch kann auf dieselben wirksam verzichtet werden, da- 
gegen ist ihre Aufhebung im Wege der Gesetzgebung jederzeit 
und ohne Entschädigung des Berechtigten zulässig !. 
1. Ihren Wählern gegenüber sind die Mitglieder des 
Landtages vollkommen unabhängig. Als Vertreter des 
gesamten Volkes haben sie von den Einwohnern ihres Wahl- 
kreises keinerlei Aufträge oderInstruktionen entgegen- 
zunehmen?. Sie stimmen lediglich nach ihrer eigenen pflicht- 
mäßigen Überzeugung®. [Die „Volksvertreter“ sind im Rechtssinne 
niemandes „Vertreter“, es sei denn des Staates, Vertreter des 
„Volkes“ können sie im Rechtssinne schon deshalb nicht sein, weil 
das Volk, abgezogen vom Staat, überhaupt keine Persönlichkeit, 
kein rechtsfähiges, also auch kein repräsentables Wesen ist. Ebenso- 
wenig sind sie Vertreter der Faktoren, auf deren Willen ihre 
Parlamentsmitgliedschaft beruht. Es besteht weder zwischen den 
Abgeordneten und ihren Wählern noch zwischen der Krone und 
den von ihr ernannten Mitgliedern der Ersten Kammer irgend- 
welches Rechtsband oder Verantwortlichkeitsverhältnis *.] 
2. Die Mitglieder des Landtages haben die Verpflichtung, 
den Sitzungen beizuwohnen. Für den Fall der Ver- 
hinderung bedürfen sie eines Urlaubes, der auf kürzere Zeit 
vom Präsidenten, auf längere vom Landtag oder der betreffenden 
Kammer erteilt wird. 
ı Mit Rücksicht auf diese Momente will Laband, Reichs-Staatsr. 1 355 ff., 
dem sich Bornhak, Preuß. Staatsr. 1. Aufl. 1 396 (abweichend E. A. 1 424) 
anschließt, den betreffenden Rechten den Charakter von subjektiven Rechten 
überhaupt absprechen. Dieselben beweisen aber nicht, daß bier keine sub- 
jektiven Rechte, sondern nur, daß keine Privatrechte vorliegen. Vgl. auch 
Gierke in SchmollersJ. 7 1137 N. 1; Seidler, Immunität 86 ff.. 99; Jellinek, 
System 170 ff.; Sonntag in der N. 5 zitierten Schrift 22 ff.; Hubrich, 
Parlamentarische Redefreiheit 341. 
®2 Preuß. Verf. Art. 83, Bayr. Verf. Tit. VII $ 27, Sächs. Verf. 8 81, 
Württ. Verf. $ 155, Bad. Verf. 8 48 u. 4832 (G. vom 21. Okt. 1867), Hess. 
Verf. Art. 88, GO. Art. 13, 8.-Weim. RGG. 3 17, S.-Mein. WG. Art. 21, S.-Alt. 
GG. 8 199, S.-Kob.-Goth. StGG. 8 84, Braunschw. N. LO. $ 133, Old. StGG. 
Art. 129, Anh. WG. vom 27. April 1913 8 31, Schw.-Sondh. LGG. 8 30, 
Schw.-Rud. GG.3 17, Reuß ä.L. Verf. $ 63, Reuß j. L. StGG. 8 52, Schaumb.- 
Lipp. Verf.-Urk. Art. 16, Lipp. Verf. vom 6. Juli 1836 $ 27, Wald. Verf. $ 62. 
® Seidler, Über den Gegensatz des imperativen und freien Mandates 
der Volksvertreter in GrünhutsZ. 24 123 ff. führt aus, daß der Ausschluß des 
imperativen Mandates der Abgeordneten nicht durch ein theoretisches Prinzip, 
sondern durch praktische Bedürfnisse herbeigeführt sei. Dies ist vollkommen 
richtig. Trotzdem muß aber entgegen seiner Anschauung daran festgehalten 
werden, daß Instruktionen der Abgeordneten durch die Wähler mit der in 
den Verfassungen enthaltenen Charakterisierung derselben als Vertreter des 
gesamten Volkes unvereinbar sind. Wer von jemand Instruktionen erhält, 
ist eben nur Vertreter desjenigen, der ihn instruiert. 
* ([Seydel, Bayr. Staatsr. 2. Aufl. 1350 (= 3. Aufl. 1 217, 218; etwas 
abweichend der Standpunkt Pilvutys das. Anm. 32); Anschütz, Enzykl. 106, 139.
	        
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