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welche dadurch bewirkt werden, daß der Monarch in mehreren
Staaten derselbe ist. Letztere kommen in einer doppelten Form vor:
a. Personalunion heißt die Vereinigung, welche durch
ein rechtlich zufälliges Ereignis, namentlich durch Übereinstimmung
der Thronfolgeordnungen in beiden Staaten herbeigeführt ista.
[Die Personalunion ist eine Gemeinschaft nicht der Absicht, sondern
des Zufalles (communio incidens), welche die Selbständigkeit der
verbundenen Staaten unberührt läßt und ohneweiteres fortfällt,
sobald die Thronfolgeordnungen der beiden Staaten wiederum zwei
verschiedene Personen zur Herrschaft berufen] b.
b. Realunion heißt diejenige Vereinigung, welche auf
einem die mehreren Staaten gemeinsam verpflichtenden Rechts-
grunde und insofern auf Absicht beruht. Dieser Rechtsgrund
kann ein Vertrag, kann aber auch Gewohnheitsrecht oder der
Wille eines übergeordneten Herrschers sein?d,
& In der gegenwärtigen Staatenwelt kommen Personalunionen zurzeit
nicht vor. Beis iele aus der Vergangenheit sind: Die Personalunion zwischen
England und Hannover (1714— 1837), Dänemark und Schleswig-Holstein (bis
1864), den Niederlanden und Luxemburg (1815—1890), Preußen und Neu-
chatel (1707—1857), Belgien und dem Kongostaat (1885—1%8).
b Die Kennzeichnung der Personalunion als Zufallsgemeinschaft und
der Vergleich mit der communio incidens ist Gemeingut der Wissenschaft.
Vgl. z. B. Jellinek, Staatsl. 750; Loening a. a. O. 7 724; Anschütz, Enzy-
klopädie 15; Hubrich im Handb. d. Pol. 1 83; Hatschek, Allgem. Staater. 3
18, 19; Rehm, Staatsl. (1907) 32. — Die meisten der bisher vorgekommenen
Personalunionen haben sich dadurch gelöst, daß das Thronfolgerecht des
einen, nicht das des andern Staates Frauen zur Thronfolge zuläßt, so daß
beim Erlöschen des Mannesstammes die Erbtochter in dem einen Lande
sukzedierte, in dem andern jedoch männlichen Kognaten weichen mußte.
Dieser Erlöschungsgrund ist nicht der einzig mögliche. So wurde die
Personalunion Preußen-Neuchatel (Neuenburg) dadurch beendigt, daß N. aus
einem Fürstentum in eine Republik verwandelt wurde, die zwischen Belgien
und dem Kongostaat durch Inkorporation des letzteren in das erstere (Hat-
schek a. a. O. 3 19).
ce Vgl. die in vorstehender Anm. zitierten Schriftsteller; insbes. auch
Hatschek 8 23 („von beiden Staaten planmäßig gewollter Organisations-
parallelismus“).
® Die bisherige Theorie fand das Wesen der Realunion darin, daß die
Verbindung auf einer gemeinsamen grundgesetzlichen Bestimmung der
beiden Staaten beruhe. Diese Ansicht ist durch Jellinek, Staatenverbindungen
197 ff. und Staatsl. 754ff. widerlegt worden, der ausführt, daß auch eine
übereinstimmende grundgesetzliche Bestimmung mehrerer Staaten den einzelnen
Staat nicht hindere, die Verbindung einseitig zu lösen. Seine Auffassung
ist jedoch zu eng, wenn er den Rechtsgrund der Vereinigung lediglich in
einem Vertrage (Staatsl. 754: „Vereinbarung“) finden will, obgleich zuzugeben
ist, daß die anderen Fälle nur geringe praktische Bedeutung haben. Erb-
folge und Eroberung, welche Afolter, Al 8: St.R. 54 N, 46, als Entstehungs-
nde der Realunion anführt, werden dagegen, wenn nicht ein anderes
oment hinzukommt, immer nur zur Personalunion führen. Vgl. Brie in
GrünhutsZ. 11 136 ff., Theorie der Staatenverbindungen 70 fl.
d Die Hauptbeispiele für die Figur der Realunion sind Österreich-Ungarn
und Schweden-Norwegen. Von diesen Verbindungen ist die zweite durch
Vertrag der beiden Staaten vom 26. Oktober 1905 aufgelöst worden (näheres
bei Bredo Morgenstierne, Das Staatsrecht des Kgr. Norwegen (1911); Anathon
Aall und Nikolaus Gjelsvik, Die norwegisch-schwedische Union, ihr Bestehen