Die Organe, $ 149. 611
reicht auch nur soweit, wie die Pflicht des Einzelnen zum Ge-
horsam. War derselbe in dem betreffenden Falle zum Gehorsam
nicht verpflichtet oder zum aktiven Widerstande berechtigt, so
fehlt es an dem Erfordernis der zwingenden Amtsgewalt und der
Staat braucht für den Schaden nicht aufzukommen. Der Grund
der Haftung des Staates ist die Rechtswidrigkeit, welche bei Aus-
übung der obrigkeitlichen Gewalt stattgefunden hat!®, Diese Haf-
tung ist aber, da die Beschädigung in erster Linie durch das
pflichtwidrige Verhalten des Beamten veranlaßt wurde, eine sub-
sidiäre, d. h. sie tritt nur dann ein, wenn die Erlangung
der Entschädigung vom Beamten selbst sich als unmöglich
herausstellt.
[Die vorstehend entwickelten allgemeinen Grundsätze kommen
natürlich nur insoweit zur Geltung, als es an einer positivrecht-
lichen Regelung der Materie fehlte Eine solche Regelung ist in
weitem Umfange vorhanden. Sie beruht teils auf dem Reichs-,
teils auf dem Landesrecht.
I. Die Haftung der Gemeinwesen (Reich, Einzelstaaten,
Kommunalverbände) für solche Handlungen ihrer Beamten, welche
nicht als Ausübung öffentlicher Gewalt erscheinen, also für
privatrechtliche Handlungen, ist einheitlich durch das
BGB geregelt: BGB $$ 31, 89. Danach haften Reich, Staat, Ge-
meinde, die Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts
für ihre Beamten wie ein rechtsfähiger Verein für seinen Vorstand
Praktische Ausführungen 2361 ff., 8 380 ff., 8545 ff.; v. Gerber 863 S. 213; Stobbe,
DPrivR 3 399; Gierke, Genossenschaftstheorie 759 ff., 794ff., DPrivR 1 476;
v. Roenne-Zorn, PrStR 1 597; Schoen, Kommunalverbände in Preußen 76 ff. Da-
gegen behauptet Loening in der N. 10 zitierten Schrift und VR 786, daß eine
aftpflicht des Staates nur insoweit bestehe, als sie durch besondere positive
Vorschriften anerkannt sei; ebenso v. Sarwey, Öffentliches Recht und Ver-
waltungsgerichtsbarkeit 304 N. 1 und Württ. StR 285 N. 8, ferner Blätter
für administrative Praxis a.a.0. 172; Piloty, a.a.O. 271; Jellinck, System
244, 245; Rehm in v. Stengels WDVR (1. Aufl.) DB. Bd. 8 97; Primker,
Verhandlungen des 9. deutschen Juristentages, 8 33f. Dieser Ansicht hat
sich auch das Reichsgericht angeschlossen: RGZ 11 206ff., 17 103, 82 337,
38 206, 51 220 und bei Gruchot 44 931, 46 414.
13 Im Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung legt O. Mayer
a. a. Ö. 358 ff. und in seinem Vortrage über die Entschädigungspflicht des
Staates nach Billigkeitsrecht (1904) auf die Rechtswidrigkeit der Handlung
kein Gewicht, sondern behauptet, eine Ersatzpflicht des Staates bestehe
überall da, wo dem einzelnen ein besonderes Opfer auferlegt sei. Dieser
Grundsatz ist aber in unserm Recht nicht anerkannt. [Nach O. Mayer ist
die Haftpflicht des Staates lediglich ein besonderer Fall der „öffentlich-
rechtlichen Entschädigung“. Uber O. Mayers Theorie vgl. Gierke, Gut-
achten 107; Dock, ArchÜfR 16 254 ff. — Die hier erörterte Frage der Haf-
tung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten ist
streng zu trennen von der anderen nach dem Ersatzanspruch aus Ver-
mögensbeschädigungen durch rechtmäßi g° Handhabung der Staatsgewalt.
er die Verschiedenheit der beiden Probleme vgl. Loening in der oben
N. 10 zitierten Schrift 93 ff.; Anschütz im VerwArch 5 4; Gierke, Gutachten
119; Dock a. a. O. 245. Über das zweite Problem vgl. unten $ 222.]