Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. $ 156. 649 
vom Landesherrn bestätigt wurden, waren keine eigentlichen 
Gesetzgebungsakte, sondern Aufzeichnungen des geltenden Ge- 
wohnheitsrechtes. 
Die Anfänge der landesherrlichen Gesetzgebung liegen in den 
Landfrieden?. Die Landesherren vereinbarten dieselben mit ihren 
Landständen, so daß sie der Form nach mehr als Verträge oder 
Bündnisse denn als Gesetze erscheinen. Nichtsdestoweniger waren 
sie ihrem materiellen Inhalt nach gesetzliche Erlasse, namentlich 
enthielten sie viele Bestimmungen strafrechtlichen Inhalts. An die 
Landfrieden schließen sich die seit dem fünfzehnten Jahrhundert 
auftretenden Landes- und Polizeiordnungen an, welche ebenfalls 
meist auf einer Vereinbarung mit den Landständen beruhten. 
Eine derartige Vereinbarung schien schon deshalb notwendig, weil 
die Ausführung der Gesetze zum großen Teil in den Händen der 
Landstände lag, und weil diese nur solche Verpflichtungen an- 
erkannten, welche entweder herkömmlich oder von ihnen besonders 
übernommen waren. Ein fest ausgebildetes Rechtsprinzip für die 
Beteiligung der Stände an der Gesetzgebung bestand jedoch nicht. 
Häufig wurde für die landesherrlichen Gesetze die Bestätigung 
des Kaisers nachgesucht®. 
Im sechzehnten Jahrhundert beginnt eine energischere Tätig- 
keit der Gesetzgebung, veranlaßt durch die Rezeption des römi- 
schen Rechtes, die Umbildung der Gerichtverfassung, die Ent- 
wicklung der landesherrlichen Verwaltung und Polizei. Sie tritt 
sowohl im Reiche als in den einzelnen Territorien hervor. Die 
Tätigkeit der Reichsgesetzgebung hört aber mit dem JRA bei-. 
nahe gänzlich auf, und seit dieser Zeit liegt die Fortbildung des 
Rechtszustandes ausschließlich in den Händen der Territorial- 
gewalten. Über die Beteiligung der Landstände an der Gesetz- 
gebung kommt es aber auch jetzt noch nicht zu festen Rechts- 
grundsätzen. Im sechzehnten Jahrhundert holten die Landesherren 
noch regelmäßig zu den Gesetzen die Zustimmung der Stände ein, 
und nicht selten ging von diesen selbst die Anregung zu neuen 
Gesetzen aus. Aber es kamen doch auch gesetzliche Erlasse vor, 
welche lediglich auf Anordnung des Landesherrn beruhten, und sie 
wurden immer zahlreicher, je mehr die Stände an Bedeutung und 
Einfluß verloren. [Der Schwerpunkt der ständischen Macht lag 
nirgends in der Mitwirkung bei der Gesetzgebung, sondern überall 
im Finanzwesen *,] In sehr vielen Territorien herrschte Streit, indem 
  
® Schon der Landfriede Rudolfs von Habsburg vom 24. März 1287 be- 
stimmt im $ 44: „Swaz ouch die furste oder die lantherren in irme lande 
mit der herren rate sezzent und machent disem lantfrieden zu bezzerunge 
und ze vestenunge, daz mugen ei wol tun, und damitte brechen si 
des Lantfrides niht.“ (Mon. Germ 1. c. p. 452, auch bei Zeumer, a, a. O., 
Nr. 100. 
3 Zahlreiche Beispiele bei Stobbe, Geschichte der deutschen Rechts- 
quellen 2 212 N. 17. 
4 Vgl. oben $ 81 S. 96 Anm. b. [Daß die Landstände im allgemeinen
	        
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