Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

662 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 158. 
in einem Spezialgesetze etwas angeordnet werden, was einer Vor- 
schrift der Verfassung zuwider ist, so erfordert die staatsrechtliche 
Korrektheit, daß zuvor — oder mindestens gleichzeitig — der 
Text der Verfassung ausdrücklich abgeändert wird. Wird dies 
aber im Einzelfalle unterlassen, so ist das von der Verfassung 
materiell abweichende Spezialgesetz um dessentwillen nicht uu- 
gültig !?. Weicht ein nach der Verfassung erlassenes einfaches 
Gesetz von der Verfassung ab, so ist dieses Gesetz, nicht die Ver- 
fassung anzuwenden; die Verfassung gilt insoweit als abgeändert. 
Auch der Verfassung gegenüber gilt der Satz lex posterior dero- 
gat priori!#, 
3. Der zwischen Regierung und Landtag vereinbarte Gesetzes- 
inhalt ist, insbesondere auch dann, wenn die Regierungsvorlage 
unverändert die Genehmigung des Landtags erhalten hat, noch 
nicht Gesetz. Um es zu werden, bedarf er der Sanktion durch 
den Monarchen I, Die Sanktion ist der bedeutsamste Schritt auf 
dem Wege der Gesetzgebung, der eigentlich zentrale Akt des Ge- 
setzgebungsverfahrens: durch die Sanktion wird der Gesetzes- 
inhalt mit Gesetzeskraft ausgestattet&, wird Gesetz, was bis dahin 
nur Entwurf eines Gesetzes war. 
Mitglieder nötig), die Braunschw. NLO $ 141, das Lipp. G. vom 3. Juni 
1876 $ 5 (zwei Drittel der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten) und die 
Schaumb.-Lipp. Verf. Art 76, letztere außerdem eine zweimalige Abstimmung 
in einem Zeitraum von 8 Tagen. Auch in Hessen (Verf. Art. 110) besteht 
dieselbe Bestimmung, doch müssen in der Ersten Kammer wenigstens 12, 
in der zweiten wenigstens 26 Mitglieder sich zustimmend erklärt haben. — 
In S.-Kob.-Goth. (G., einige Abänderungen des StGG betr., vom 31. Jan. 
1874 Art. 7) ist zur Abänderung des gemeinsamen StGG die Zustimmung 
der Mehrheit der Abgeordneten aus jedem Herzogtum erforderlich. — In 
Oldenburg (StGG Art. 212) wird verlangt: 1. ein Beschluß auf zwei Land- 
tagen, zwischen denen eine neue Wahl vorgenommen ist, 2. die Verkündi- 
ng der Abstimmung 8 Tage vorher, 3. die Teiluahme von drei Viertel der 
bgeordneten an der Abstimmung. — Nach der Preuß. Verf. Art. 107 genügt 
zu Verfassungsänderungen eine zweimalige Abstimmung in beiden Häusern 
des Landtages, zwischen welcher je ein Zeitraum von 21 Tagen liegt. — 
Keine besonders erschwerenden Formen für Verfassungsänderungen be- 
stehen in S.-Meiningen, S.-Altenburg, Anhalt, Reuß j. L, 
18 So die heute herrschende Meinung; vgl. z.B. v. Roenne-Zorn, Preuß. 
StR 8 89 (a. M. früher v. Roenne); Laband, StR ? 39 ff.; Fleischmann, a. a. 
O. 118, 119; weitere Zitate bei v. Roenne-Zorn a. a. O. [In der Voraufl. 
stellte G. Meyer bedingungslos die Forderung auf: „Soll in einem einfachen 
Gesetze etwas festgesetzt werden, was einer Bestimmung der Verfassung 
zuwider ist, so muß zunächst der betreffende Artikel der Verfassung ge- 
ändert werden.“) 
14 Laband 2 40. — Über die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit ein- 
facher Gesetze vgl. unten $ 173. 
16 vgl. oben 8157 S.652. Über den Begriff der Sanktion vgl. Laband, 
StR 229ff.; G. Meyer, Anteil der Reichsorgane an der Reichsgesetzgebung 
18ff.; Bornhak, Preuß. StR 1 528; Fleischmann, a. a. O. 54 ff.; Schoen im 
HdbPol 1 288, 289; v. Seydel-Piloty, Bay. StR 1 839, 840. 
a Man kann das auch, wie es meistens (im Anschluß an Laband) ge- 
schieht, so ausdrücken: die Sanktion ist der Gesetzesbefehl, wodurch der 
vorher in Gemeinschaft mit der Volksvertretung festgestellte Gesetzesinhalt
	        
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