56 Einleitung. $ 15.
In älterer Zeit wurde Politik in einer weiteren Bedeutung
gebraucht, welche auch von einzelnen neueren Schriftstellern bei-
behalten ist*. In diesem Sinne bezeichnet Politik die Lehre
vom Staate.
II. Das Staatsrecht ist ferner ein Zweig der Rechts wissen-
schaft. Die Römer teilten das Recht ein in ius publicum und ius
privatum, d. h. Staatsrecht und Privatrecht®. Diese Einteilung
war für die Römer ausreichend, da sie nur ein Gemeinwesen,
den Staat, keine innerstaatlichen öffentlichen Verbände und keine
Rechtsbeziehungen der Staaten untereinander kannten. Für das
heutige Rechtsleben dagegen erscheint die Einteilung nicht mehr
ala genügend. Man muß vielmehr folgende Rechtsgebiete unter-
scheiden:
1. das Recht, welches die Beziehungen der einzelnen Per-
sonen zu einander ordnet, das Privatrecht; \
2. das Recht, welches die Verhältnisse der menschlichen Ge-
meinwesen, d. h. die Herrschaft des Gemeinwesens über die
einzelnen Glieder regelt. Man kann dieses Rechtsgebiet mit einem
allgemeinen Namen als Genossenschaftsrecht? bezeichnen.
Obwohl nun in jeder organisierten menschlichen Gemeinschaft eine
Überordnung der Gesamtheit über den einzelnen, also ein Herr-
schaftsverhältnis existiert, so tritt doch in vielen derselben der
Herrschaftsgedanke so sehr zurück, daß eine besondere rechts-
wissenschaftliche Behandlung dieser Seite des Verhältnisses nicht
erforderlich erscheint. Die betreffenden Gemeinschaften sind viel-
mehr für das Recht wesentlich nur dadurch von Bedeutung, daß
sie die Gesamtheit ihrer Mitglieder zu einem einheitlichen Ver-
mögenssubjekt zusammenfassen, das mit anderen Rechtssubjekten
in Beziehung tritt. Die Darstellung ihrer Rechtsverhältnisse ge-
hört daher dem Privatrecht an®, Nur zwei Arten menschlicher
Gemeinwesen haben ausgeprägtere Herrschaftsverhältnisse ent-
wickelt, deren Behandlung Gegenstand besonderer Rechtsdisziplinen
geworden ist:
a) die politischen Gemeinwesen. Die auf dieselben
bezüglichen Rechtssätze enthält das Staatsrecht’;
* Z.B. in Dahlmanns Politik, Waitz Grundzügen der Politik. auch noch
in Treitschkes Politik.
° 8 4 Inst. de iust. et iure (1, 1); Fr. 1 8 2, Dig. de iust. et iure (l, ]):
Huius studii duae sunt positiones, publicum et privatum. Publicum ius est,
quod ad statum rei Romanae spectat, privatum, quod ad singulorum uti-
ıitatem.
a Besser: „Sozialrecht“.
© Gegen die Zusammenfassung des Staates mit den Privatrechts-
korporationen hat sich v. Gerber, St.R. ($ 1) 2 N. 2 ausgesprochen. Aber
bei aller Anerkennung der bedeutenden Verschiedenheiten, welche zwischen
beiden existieren, ist doch nicht zu leugnen, daß sie manche gemeinsame
Elemente enthalten. Vgl. auch Gierke, Z.StaatsW. 80 319, SchmollersJ.
5.
? Die Verschiedenheit von Staatsrecht und Privatrecht beruht nicht
auf der Verschiedenheit der Interessen (Gareis, Allg. St.R. 13; Fr. J. Neu-