788 Zweiter Teil. Drittes Buch, $ 182.
scheidung nach Rechtsgrundsätzen handelt. Aber die Schwierigkeit,
in Ausübung der Verwaltungsjurisdiktion Rechts- und Tatfrage
zu trennen, hat zur Fiolge gehabt, daß das Prinzip nicht immer
streng durchgeführt ist und die Entscheidungen der Verwaltungs-
gerichte auch solche Gegenstände umfassen, bei denen es sich bloß
um die Würdigung tatsächlicher Verhältnisse und um Fragen der
Zweckmäßigkeit oder Billigkeit handelt. Dies gilt namentlich von
der .preußischen Gesetzgebung®®. Diese ‚Angelegenheiten werden
dann ebenfalls in den gerichtlichen Formen erledigt, welche für
das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten vorgeschrieben sind.
Nach der Gesetzgebung des betreffenden Staates umfaßt also die
Verwaltungsgerichtsbarkeit auch diese Angelegenheiten; es ent-
steht, entsprechend dem formellen Begriff der Verwaltung, auch
ein formeller Begriff der Verwaltungsgerichts-
barkeit, welcher die gesamte Tätigkeit der Verwaltungsgerichte
bezeichnet,
Die Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist
sowohl die Aufrechterhaltung der für die Verwaltung maßgebenden
Grundsätze des objektiven Rechtes, als der Schutz
der subjektiven Rechte des Einzelnen gegenüber Eingriffen
der Verwaltungsorgane®®. Beides wird in der Regel zusammen-
38 (So haben in Preußen die Verwaltungsgerichte beispielsweise zu ent-
scheiden: über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit von Schulbauten
Ds 8 47), über die Frage der Erhaltung oder Einziehung eines öffentlichen
eges (4G $ 57), über die Bedürfnisfrage bei Erteilung gewerblicher Kon-
zessionen, über die Frage, ob das von der zuständigen Behörde bemängelte
Statut einer Innung zu bestätigen sei gier nicht, — alles keine Rechtsfragen
oder doch nicht notwendig solche. Über noch andere ähnliche Fälle, in
denen der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen nicht nur die Rechtes-,
sondern auch die Zweckmäßigkeitskontrolle administrativer Tätigkeit
zusteht, vgl. O. Mueller, Begriffe der Verwaltungsrechtspflege 11 ff., dessen
Ausführungen von W. Jellinek, Gesetz, Gesetzanwendung und Zweckmäßig-
keitserwägung 197 ff, angefochten, von Bühler, subj. öffentl. Rechte 277 #
in wesentlichen Punkten als richtig anerkannt werden. Vgl. weiterhin An-
schtitz a. a. O. 402, 403 und im VerwArch 5 425, 6 623. Die Aufgabe der
preußischen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist niemals darauf beschränkt ge-
wesen, lediglich Gesetzwidrigkeiten oder gar nur Eingriffe in subjektive
öffentliche Rechte (s. die nächste Anm.) abzustellen, sondern erstreckt sich
hierüber hinaus, in vielen Fällen auch auf den Schutz gegen willkürliche,
sachlich uugerechtfertigte, unbillige Verwaltungsakto. Im Gegensatz hierzu
sind nach der bayerischen, sächsischen, württembergischen, badischen Gesetz-
gebung alle Ermessensfragen von der verwaltungsgerichtlichen Kognition
ausgeschlossen; der Beruf des Verwaltungsrichters besteht in diesen Staaten
wesentlich nur in der Entscheidung von Streitigkeiten über subjektive
öffentliche Rechte. Der Gegensatz ist gut erkannt und ausführlich dargestellt
bei Bühler a. a. O. 261 ff. und im WStVR 8 744 ff.]
2? [Die herrschende Meinung geht von der Ansicht aus, daß die Ver-
waltungsgerichtsbarkeit lediglich zum Schutz subjektiver Rechte berufen sei
(0. Baehr a. a. O. S. 54; L. v. Stein, Verwaltungslehre T. 1 Abt. 1. S. 371 ff.;
v. Sarwey a. a. O. S. 65, 73, 76; H. Schulze, Lehrbuch des deutschen Staats-
rechtes 1 646; E. Loening, Deutsches Verwaltungsrecht 797 f.; v. Stengel,
Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes 220 ff., im VerwArch 8 182 ff.,
207; v. Seydel-Piloty, Bayer. Staatsr. 1 420 ff.; Lemayer a. a. O. 8. 425 ff.).