Die Funktionen. $ 211. 931
Mitwirkung der Gemeindevertretung. Dieser kommt überhaupt
bei allen wichtigen Akten der Finanzverwaltung eine entscheidende
Stimme zu. Außerdem steht die Gemeindefinanzverwaltung unter
einer eingehenden Kontrolle der staatlichen Aufsichtsbehörden.
2. Die Kommunalverbände höherer Ordnung
(Kreise und Provinzen) haben nur selten hergebrachtes Vermögen,
das als Grundlage ihrer Wirtschaft dienen könnte. Höchstens
befinden sie sich im Besitze gewisser Anstalten, die aber mehr
Verwaltungs- als Finanzzwecken dienen. Dagegen sind ihnen, so
in Preußen, bei Gelegenheit ihrer Reorganisation Dotationen aus
der Staatskasse, teils in der Form von bleibenden Fonds, teils in
der von jährlichen Renten, überwiesen. Soweit eigenes Vermögen
nicht vorhanden ist, müssen die Bedürfnisse des Verbandes durch
Abgaben gedeckt werden. Die Erhebung dieser findet meist so
statt, daß die Provinzialabgaben auf die Kreise, die Kreisabgaben
auf die Gemeinden nach Maßgabe der in ihnen erhobenen
direkten Staatssteuern verteilt werden®. Vereinzelt kommt je-
doch auch die unmittelbare Erhebung von den einzelnen Steuer-
pflichtigen vor.
Vierter Abschnitt.
Die Funktionen des Reiches gegenüber den Einzel-
staaten,
I. Allgemeines. Gerichtsbarkeit des Reiches in Staatenstreitig-
keiten und Verfassungsstreitigkeiten. Reichsexekution.
g 212.
Diejenigen Herrschaftsbefugnisse, welche dem Reiche nicht
egenüber den einzelnen Untertanen, sondern gegenüber den
Staaten zustehen, erfordern eine besondere Erörterung. Sie be-
wegen sich zwar in denselben Formen wie jene, aber sie betreffen
Gegenstände, welche bei einzelnen Individuen nicht vorkommen.
1. Das Reich besitzt, wie gegenüber dem Volke, so auch
gegenüber den Einzelstaaten als solchen das Recht der Gesetz-
gebung. Es kann Rechtsvorschriften erlassen, welche nicht die
einzelnen Angehörigen, sondern die Staaten verpflichten, voraus-
gesetzt, daß dieselben entweder innerhalb der Zuständigkeit des
Reiches liegen oder daß bei ihrem Erlaß die Formen der Ver-
fassungsänderung beobachtet werden.
2. [Dem Reiche steht, soweit seine Gesetzgebungshoheit
gegenständlich reicht, das Recht der Beaufsichtigung der
Einzelstaaten nach Maßgabe der Reichsverfassung zu. Hierüber
vgl. unten $ 212a, 212b.
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9 So in Preußen nach dem Kreis- u. ProvAbgG v. 23. April 1906.
G. Meyer-Anscohütz, Deutsches Staatsrecht. III. 7. Aufl. 60