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schaft auf das schwerste bedroht, und daß deshalb dieser Krieg nicht nur
gegen den Zarismus, sondern besonders auch gegen England bis zum
entscheidenden Ende durchgeführt werden muß.
So können wir wohl sagen, daß England die deutsche Einigkeit nur
noch vertieft hat; und dieser Einiqgkeit in allen Parteien und in allen
Ständen konnte denn auch zum Schluß der zweiten Kriegssitzung des
Deutschen Reichstages Präsident Kaempf Ausdruck geben, als er das Haus
vertagte bis zum 2. März 1915 mit einem allseitig begeistert aufgenom-
menen Hoch auf den Kaiser, unser Volksheer, unsere Marine und unser
Vaterland und mit dem erneuten Bekenntnis:
„Deutschland kann nicht besiegt werden, so lange
es einig istl“ «
Der Bericht über die denkwürdige Kriegssitzung des Deutschen Reichs—
tages ergibt in seiner Gesamtheit folgendes packende Bild:
2. Dezember 1914, nachmittags 4 Uhr.
Am Bundesratstische: Reichskanzler Dr. v. Bethmann Hollweg in
feldgrauer Generalsuniform, Dr. Delbrück, v. Jagow, Großadmiral
v. Tirpitz, Graf Hertling, Kraetke, Kühn, Solf, Dr. Sydow, v. Wandel,
Beseler, v. Loebell, Havenstein und eine Fülle von Bevollmächtigten zum
Bundesrat und Kommissarien.
Das Haus ist vollständig besetzt; sämtliche Zuhörertribünen sind
schon vor Beginn der Sitzung überfüllt.
Der Platz des Abgeordneten Trimborn (Zentr.), der heute sein
60. Lebensjahr vollendet, ist mit einem Rosenstrauß geschmückt. Auf dem
Platze des im Felde gefallenen Abg. Dr. Frank-Mannheim (Soz.) liegt
ein Lorbeerkranz.
Präsident Dr. Kaempf eröffnet die Sitzung um 4¼ Uhr mit
folgender Ansprache:
Meine Herren! Nach viermonatlicher Vertagung heiße ich Sie alle
zu treuer Arbeit in diesem Hause willkommen, diejenigen aber unter
uns, die mit in das Feld haben ziehen können und die aus dem Felde
herbeigeeilt sind, um an den wichtigen Arbeiten des Reichstages teil-
zunehmen, begrüße ich auf das allerherzlichste. (Lebhafte Zustimmung.)
Seitdem wir am 4. August unter dem gewaltigen Eindruck der auf uns
einstürmenden Ereignisse uns getrennt haben, sind wichtige welthisto-
rische Ereignisse eingetreten. Vor allem aber hat sich gezeigt, daß alle
Gedanken des deutschen Volkes auf diesen gewaltigen Krieg gerichtet
sind in dem Vertrauen, daß die Einigkeit des deutschen Volkes alle Hin-
dernisse überwinden werde, in dem Bewußtsein des Sieges, das getragen
wird von der Stärke der militärischen Macht Deutschlands zu Wasser
und zu Lande und von dem Bewußtsein der wirtschaftlichen Stärke des
deutschen Vaterlandes. (Erneuter lebhafter Beifall.) Weit über zwei
Millionen Kriegsfreiwilliger haben sich gestellt, und doch hat nur ein
kleiner Teil von ihnen in die Armee eingereiht werden können. Aus
unserer Mitte sind 65 Abgeordnete und 27 unserer Beamten zu den
Fahnen gerufen, und der Erste aus unseren Reihen, der auf dem Schlacht-
felde (sämtliche Mitglieder des Hauses und des Bundesrats erheben sich
von den Plätzen) den Tod für das Vaterland gefunden hat, war ein
Kriegsfreiwilliger. (Beifall.) Alle diejenigen im Deutschen Reich, denen