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finden, das Sie interessiert. Ich würde es gern sehen, daß Sie sich voll-
kommen frei fühlen, wohin Sie auch gehen!“
„Kaiserliche Hoheit werden mein Amerikanisch-Deutsch verzeihen“,
sagte ich, indem ich ihm einige Punkte vorlegte, die besonders amerika-
nische Leser interessieren würden.
„Dann lassen Sie uns englisch sprechen, wenn Sie glauben, sich so
besser ausdrücken zu können“, war seine schnelle Antwort. Und dieser
Aufforderung Folge leistend, gab mir der Kronprinz sein erstes Inter-
view in englischer Sprache.
„Ich bin Soldat und kann daher keine Politik diskutieren“, sagte
der Kronprinz, „aber es scheint mir, daß die ganze Sache, alle die Tätig-
keit, um uns herum, sinnlos, unnötig und zwecklos ist. Und doch war
Deutschland keine Wahl gelassen. Vom Niedrigsten bis zum Höchsten
wissen wir alle, daß wir um unsere Existenz kämpfen. Ich weiß, das sagen
auch die Soldaten anderer Nationen, und sehr viele denken auch dasselbe.
Aber dies ändert die Tatsache nicht, daß wir
um unser nationales Leben
auch wirklich kämpfen. Da wir wußten, der Krieg würde uns aufge-
zwungen werden, so war es unsere höchste Pflicht, dem Kampfe durch
jegliche nötige und mögliche Vorbereitung für die Verteidigung des
Vaterlandes zuvorzukommen gegen den Eisenring, den unsere Feinde seit
Jahren fest und sorgsamst um uns geschmiedet haben, um uns damit zu
erdrücken.
Die Tatsache, daß wir unsere Verteidigung vorbereiteten, wird nun
als Argument gebraucht, um die Welt zu überzeugen, daß wir nicht nur
diesen Konflikt brauchten, sondern daß wir für ihn verantwortlich seien.
Keine Macht der Erde wird je imstande sein, unser Volk zu über-
zeugen, daß dieser Krieg nicht gänzlich und allein ins Werk gesetzt war,
mit der Absicht, nicht allein das deutsche Volk zu erdrücken, sondern auch
seine Regierung, seine Einrichtungen, und alles was ihm teuer ist. Aber
das Ergebnis ist, daß Sie das deutsche Volk als. eine große Einheit finden,
durchdrungen vom herrlichen Geiste der Selbst-
aufopferung.“
Den Haupteindruck machte auf mich die Tatsache, daß der Kronprinz,
trotz seiner stark ausgeprägten Ueberzeugung, keinesfalls den intensiven
Haß oder die Bitterkeit gegen England zur Schau trug, die ich so konstant
seit dem Ausbruch des Krieges in allen Volksklassen bemerkte. Im Gegen-
teil, ich bemerkte bei ihm ein gewisses Bedauern und beinahe Trauer in
seinem Ton, als er diese Phase der großen Begebenheit diskutierte. Bald
empfing ich den Eindruck, daß der Kronprinz keinesfalls der Mann ist,
wie man ihn sich in England und Amerika vorstellt. Nichts vom Feuer-
esser oder vom starrköpfigen Krieger ist in ihm. Er zeigte nicht, daß ihm
die gewonnene militärische Erfahrung Vergnügen gewähre, noch daß er
am Kampf. selbst Freude habe. Zweifellos hatte das Blutvergießen, das
er bereits mitgemacht hat, einen tiefen Eindruck auf seinen von Natur
impressionistisch veranlagten Geist hervorgerufen. Oft kam er auf die
Verluste und die Leiden zurück, nicht allein auf die seiner eigenen, sondern
auch der Streitkräfte der Feinde. Jederzeit war er äußerst freigebig mit
dem Lobe des Feindes, mit dem er in Berührung gekommen. Eleich der