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Das Blatt fährt fort: „Im Osten fanden große entscheidende Schlachten
statt, Die Niederlage Samsonows in Ostpreußen war eine größere Affäre
als selbst die Schlacht bei Mulden. Die Russen verloren bei Mukden etwas
über 100 000 Mann, verloren aber bei Tannenberg dieselbe Zahl allein
an Gefangenen. Zwei andere ernsthafte Niederlagen folgten bei Inster-
burg und bei Lyck. Die an Zahl stärkste Armee kann Niederlagen von
solcher Größe nicht ertragen, ohne erschüttert zu werden. Ein Wunder ist
nicht, daß die Russen Gelände verloren, sondern, daß sie imstande waren,
hes so schnell zurückzugewinnen, aber der Preis für die Verstärkung des
russischen Flügels in Ostpreußen war der Verlust der Früchte der Siege
über Oesterreich in Galizien. Die Russen verloren in den letzten zehn Tagen
fast allen Boden, den sie durch zerschmetterte Siege über den österreichischen
linken Flügel gewonnen hatten. Das Blatt hält die russischen Aussichten
auf Sieg an der Weichsel für gut, sagt aber, es müsse die Tatsache anerken-
nen, daß die Russen zurückgehen und daß gegenwärtig eine Invasion in
Schlesien nicht in Frage komme. Das Blatt fragt, woher die Deutschen
all ihre Männer nehmen. Die Verbündeten scheinen die Stärke der deutschen
Reserven unterschätzt zu haben, dagegen sei die Reserve der russischen Be-
völkerung so unausgebildet, wie die englische. Da die Lebensdauer in Ruß-
land kürzer ist, als in Deutschland und England, weisen die Reserven der
ausgebildeten Männer einen stärkeren Abgang auf. Die gewaltigen Massen
der russischen Bevölkerung werden früher oder später ins Gewicht fallen,
aber vielleicht erst später. Einstweilen befinden sich die Verbündeten trotz
iherr Ueberlegenheit an Volkszahl über Deutschland und Oesterreich tat-
sächlich in numerischer Minderheit auf den entscheidenden Punkten des
Feldes, und zwar in diesen ersten Monaten des Krieges, auf die sich Deutsch-
lands größte Hoffnungen gründen. Später wird das anders sein, aber
augenblicklich sind alle Anstrengungen für uns erforderlich.“
Die Russen in Perfien.
Konstantinopel, 18. Oktober. Nach hier eingetroffenen zuver-
lässigen persischen Nachrichten haben die Russen, die ihren Einfluß in Asser-
beidschan schwinden sahen, einen neuen Polizeidirektor in Täbris ernannt.
Sie lassen russische Polizisten aus dem Kaukasus kommen und bilden eine
Geheimpolizei, die das Tun und Treiben der persischen Liberalen über-
wacht, Briefe und Postsendungen öffnet und alle Kaufleute und Reisen-
den Verhören unterzieht. Es geht das Gerücht, daß die Russen neue Truppen
nach Asserbeidschan kommen lassen wollen.
Ein deutscher Kreuzer im NRoten Meer.
Konstantinopel, 19. Oktober. Die hiesigen Blätter berichten,
daß ein deutscher Kreuzer die im Bau befindliche Eisenbahnlinie von
Dschibuti nach Adis Abeba, die von den Franzosen gebaut wird, bombar-=
diert habe. Die Strecke sei zerstört worden, wobei auch die Niederlassungen
der französischen Kolonie Schaden gelitten hätten.
Eine amtliche Bestätigung dieser Meldung liegt bis zur Stunde nicht
vor, doch darf man wohl mit Bestimmtheit annehmen, daß die Nachricht
richtig ist und einen neuen Beweis von dem Heldenmut und der Angriffs-
lust unserer Auslandskreuzer erbringt. Dschibuti ist französischer Besitz und
Ausgangspunkt der nach der abessinischen Hauptstadt führenden Eisenbahn.
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